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 Roman

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Kemijoki
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Roman Empty
BeitragThema: Roman   Roman EmptySo Sep 02, 2007 4:07 pm

Der Roman ist die epische Großform der Neuzeit. Es dauerte lange, bis er als Kunst anerkannt wurde. Noch im 18. und frühen 19. Jh. verachtete man ihn als »Halbkunst«, weil er keinen strengen Regeln unterlag; erst in der Mitte des 19. Jh.s wurde er dem Epos gleichgesetzt. Thomas Mann griff in die Diskussion um die Wertigkeit von Epos und Roman zugunsten des Romans ein und meinte, man könne versucht sein, »das Verhältnis von Roman und Epos umzukehren und den Roman nicht als Verfallsform des Epos aufzufassen, sondern in dem Epos eine primitive Vorform des Romans zu sehen«. Der Roman stammt vom Epos ab, unterscheidet sich von diesem jedoch äußerlich durch die Prosaform (»Versroman« und »Prosaepen« sind Bezeichnungen für seltene Übergangsformen) und weicht in Stoff, Struktur und Erzähltechnik ab.

Zwar kann der Roman wie das Epos ein weitausladendes Weltbild geben; die geschilderte Welt jedoch hat sich geändert; sie ist »prosaisch« geworden. Entsprechend wandelt sich der Stoff. Die Entwicklung bis 1900 geht im Großen und Ganzen von zeitlosen Abenteuern zur Schilderung der unmittelbaren Gegenwart, vom Allgemeingültigen zum Individuellen, von der Darstellung des äußeren zu der des inneren Lebens (vgl. Cervantes und Proust). Das führt in unserem Jahrhundert schließlich zu einer Auflösung der Struktur: Die Geschehnisse laufen nicht mehr chronologisch ab, sie stehen auch nicht mehr nebeneinander in einem breiten Zeitbild.

Mit den Ordnungskategorien Zeit und Raum entfällt auch die Kausalität. Die Einzelteile werden selbständig und kunstvoll montiert. »Wenn ein Roman nicht wie ein Regenwurm in zehn Stücke geschnitten werden kann und jeder Teil bewegt sich selbst, dann taugt er nicht« (Döblin). Damit änderte sich die Rolle des Helden. Bis zum 18. Jh., solange das Welt- und Menschenbild statisch war, entsprach der Romanheld einer Normvorstellung, er war ein Typus. Im 18. Jh. trat der individuelle Mensch, seine Psyche, seine Entwicklung ins Blickfeld. Entsprechend gab es vorwiegend Charakter-, Entwicklungs- und Bildungsromane. Im 20. Jh. verlor man mit dem Glauben an die Durchschaubarkeit des Menschen das Interesse am Schicksal des einzelnen. Dies führte zu verschiedenen Arten des »reduzierten Helden« oder »Antihelden«), an dem nur sein Bewusstsein für eine bestimmte Situation wichtig ist (Robbe-Grillet, »nouveau roman«), oder dem »potenziellen Menschen als Inbegriff seiner Möglichkeiten« (Musil, »Der Mann ohne Eigenschaften«) oder dem Phänotyp (Benn: »Phänotyp ist das Individuum einer jeweiligen Epoche, das die charakteristischen Züge dieser Epoche evident zum Ausdruck bringt, mit dieser Epoche identisch ist, das sie repräsentiert.«) Der Phänotyp ist der Nicht-Handelnde, der völlig hinter Gedanken und Stimmungen verschwindet. Solche Werke können dem Essay näher stehen als dem Roman. Mit den Inhalten ändert sich die Position des Erzählers; der auktoriale Erzähler (-»Epik) des Epos wird stufenweise zum beobachtenden, unsicheren, reflektierenden.

Anstelle des Berichts benutzt er schließlich epische Mittel, die subjektive Sicht und Engagement erlauben (»innerer Monolog, erlebte Rede). Um möglichst viele Aspekte zu zeigen, kombiniert er die verschiedensten Darstellungsmittel (Dialog, Brief, Essay, Aphorismus u. a.). In neuester Zeit betrachten sich einige Schriftsteller nur noch als Spezialisten der Sprache; diese ist für sie der Grundstoff, mit dem sie experimentieren, den sie montieren. Aus einem Roman wird eine Collage von Zitaten, er löst sich völlig auf. Es gibt weder Handlung noch Erzählung oder Figuren; es fehlen Erzählperspektive, Kontinuität, Anschaulichkeit.

Übrig bleiben Sprachfragmente, Formeln, Apercus, Gedankenkonstellationen (Oswald Wiener, »die Verbesserung von mitteleuropa«). Für den Leser ist aus Unterhaltung, Belehrung, Erbauung eine Anstrengung geworden. Er passt sich der aphoristischen und pluralistischen Struktur des Romans an und liest nicht mehr zusammenhängend, sondern punktuell. Es gibt viele Versuche, die Fülle der Romanarten zu ordnen. Nach ästhetischen Gesichtspunkten trennt man Trivial-, Unterhaltungs- und Kunstroman. Geht man vom Stoff aus, bekommt man schon eine endlose Liste, die man wieder unterteilen müsste: Ritter-, Räuber-, Künstler-, Gelehrtenroman usw., aber auch Bildungs-, Erziehungs-, Reiseroman usw., oder Dorf-, Familien-, Staatsroman, und welche Gruppierungen auch immer möglich sind.

Nicht viel übersichtlicher ist eine Typologisierung nach der Form in Brief-, Tagebuch-, Dialog-, aber auch in Ich-, Rahmen- und Chronikroman. Es trifft ebenfalls nicht den Kern, wenn man nach der Aussageweise zusammenstellt: humoristischer, satirischer, idealistischer usw. Roman. W. Kayser bietet Geschehnis-, Figuren- und Raumroman an. Keiner der Ordnungsversuche scheint einleuchtend und umfassend.

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Quelle: livingbox
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