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 Das Leben danach

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Enrico
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BeitragThema: Das Leben danach   Das Leben danach EmptyMo Dez 15, 2008 12:00 am

Prolog



Die Wolken hingen tief in dieser trostlosen Nacht, gaben den Blick zum Himmel nicht preis. Kein Mond und keine Sterne schimmerten durch sie hindurch. Nichts erhellte das düstere Treiben der sich immer weiter auftürmenden Wolkenschar. Bis sich in ihnen das Grollen des nahen Gewitters ankündigte. Ersten Blitze züngelten tonlos am Firmament entlang und erhellten die Dächer der Großstadt, in der er lebte.

Schon bald darauf fielen die ersten Regentropfen, auf die von flackernden Straßenlaternen spärlich beleuchteten Gassen. Sie tauchten den Asphalt in ein glänzendes Schwarz, das nur von den gelegentlichen Spiegelungen der bunten Leuchtreklamen einzelner Geschäfte unterbrochen wurde. Erste Pfützen sammelten sich am Straßenrand und wurden von seinen Schritten durchbrochen.
Die Kapuze seiner Jacke war tief ins Gesicht gezogen, die Hände weit in den Hosentaschen seiner Jeans vergraben. Seine smaragdgrünen Augen blieben stets auf dem Boden und sahen durch ihn hindurch, als wenn nichts um ihn herum existieren würde.
Dafür waren seine Schritte fest und führten ihn einmal mehr einen Weg entlang, den er jede Nacht ging.
Vorbei an all den einfältigen Menschen, die seinen Weg kreuzten und sich nur um ihre eigene kleine Welt scherten. Was sich wirklich hinter den Fassaden dieser Stadt abspielte, wollten sie alle nicht wahr haben. Sie sahen nur das, was sie sehen wollten, bemerkten sie doch noch nicht einmal, welch große Gefahr hier mitten unter ihnen in Form seiner Gestalt lief. Abschätzig ließ er seinen Blick für einen Moment über seine Mitmenschen schweifen. Sie die in ihrer heilen Welt leben durften, mit Freunden und Familie, in einer sicheren Wohnung. Wie gern hätte er sie schon allein dafür kalt gemacht.

Aber Toni Bandel wollte heute Nacht nicht töten, wollte keine Feinde in den dunklen Seitenstraßen suchen. Dieses mal war es nicht die Rache, die ihn wach hielt.
Die beiden Pistolen, die er unter seiner Jacke trug, waren bislang stumm geblieben.

Auf seinem Weg über den nassen Asphalt wurden die Hochhäuser schließlich von hohen Pappeln abgelöst.
Der befestigte Fußweg wich schlammiger Erde, die an seinen schweren Stiefeln kleben blieb und mit jedem Schritt voran getragen wurde. Durch das dichte Blätterdach prasselte der Regen nur noch gedämpft, während der Wind ein Rauschen in den Baumkronen heraufbeschwor.
Hierher verirrte sich so spät in der Nacht keine Menschenseele mehr. Denn nirgends gab es eine Straßenlaterne. Nicht einmal ein Auto fuhr auf der Straße neben dem Fußweg an ihm vorbei.

Hinter den Pappeln erstreckte sich eine Ziegelsteinmauer. So verwittert und brüchig, dass sie an einigen Stellen schon ein zu stürzen drohte.
Mit seiner Hand strich Toni im Vorbeigehen über dieses alternde Relikt, das seine besten Tage schon längst hinter sich hatte. Seine Finger fuhren über den Mörtel zwischen den Backsteinen und über das Moos und die kleinen Pflänzchen, die aus ihnen wuchsen.
Er war wieder hier, am alten Friedhof, dem kleinsten der Stadt, dort wo er begraben lag:
Sein bester Freund, Enrico River.
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BeitragThema: Re: Das Leben danach   Das Leben danach EmptyMi Dez 17, 2008 8:41 am

Sehr schön und bildhaft beschrieben Daumen Hoch
Aber warum ist Toni jetzt der, der noch lebt? Ich dachte, es wäre umgekehrt.
Hast du "Die Wölfe" bereits fertig geschrieben? Würde mich mal interessieren...so ganz kommt man nämlich nicht mit.
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BeitragThema: Re: Das Leben danach   Das Leben danach EmptyMi Dez 17, 2008 3:15 pm

^^ Nein es gibt bisher 6 Bände, der hier ist der einzige der fertig ist und man muss die anderen nicht kennen um das hier zu verstehen. Ich wollte es eigentlich als eigenständige Gesichte vorstellen um eben zu sehen wie gut man sie versteht. Was den Tod angeht kann ich jetzt leider noch nichts verraten, sonst stehl ich hier die Spannung^^.
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BeitragThema: Re: Das Leben danach   Das Leben danach EmptyMi Dez 17, 2008 5:01 pm

Ich finds wunderbar geschrieben Daumen Hoch Sehr schöne flüssige Sprache, sehr bildhaft - gefällt mir irrsinnig gut und versetzt mich direkt in den Schauplatz der Geschichte! Weiter so Smile
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BeitragThema: Re: Das Leben danach   Das Leben danach EmptyMi Dez 17, 2008 5:29 pm

Hab vielen dank für dein Lob. Hoffentlich kann es helfen meine Schreibblockade zu durchbrechen^^.
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BeitragThema: Re: Das Leben danach   Das Leben danach EmptyMi Dez 17, 2008 9:36 pm

Ich verstehe nicht ganz, warum du die sechs Bände nicht einfach nacheinander schreibst - Ideen kann man ja trotzdem in Stichworten aufschreiben.
Für mich war es ganz interessant, die Kapitel von "Laila" drucheinander zu schreiben. Ich weiß aber nicht, ob man das vergeichen kann. Ich würde aber eigentlich auch ganz gern noch was von "Den Wölfen" hören.
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BeitragThema: Re: Das Leben danach   Das Leben danach EmptyDo Dez 18, 2008 7:09 am

Im Grunde war das hier ja der erste Band. Die Beiden die dann noch vor diesem Spielen hab ich zusätzlich geschrieben oder besser schreibe sie noch^^. Es ist sicher nur verwirrend, weil du den Band mit Tonis Kindheit eben schon gelesen hast.


1.Kapitel
~Eine Freundschaft geboren im Leid, hält für die Ewigkeit~



Noch ein Mal atmete Toni tief durch, dann trugen ihn seine Schritte am Einganstor vorbei und über einen Kieselsteinweg zum Grab seines Freundes.
Schon von weitem war der weißen Obelisk zu sehen. Aus dem ihn umgebenden Grün stach der Marmor besonders hervor. Auf Hochglanz poliert thronte er über allen anderen Gräbern. Über seiner Spitze hing eine schwarze Lederjacke. Verwittert und zerrissen hatte sie unter den vielen Jahren hier gelitten und war kaum wieder zu erkennen. Zu Lebzeiten hatte Enrico sie getragen. Es war die Jacke des Anführers gewesen, die des Oberhauptes der Wölfe. Dieser Clan hatte Frieden gebracht, Enrico hatte die streitenden Gangs vereint, hatte so die Wölfe zum größten Clan Limbachs gemacht und trotzdem hatten sie gegen ihren Erzfeind nicht den Hauch einer Chance. Ohne Vorwarnung waren die roten Drachen über sie hergefallen und hatten alles vernichtet, was sein Freund so mühvoll aufgebaut hatte und als wenn das nicht schon genug gewesen wäre, mussten sie ihn auch noch töten… auf so entsetzliche Weise.
Vor den Bildern die in Toni aufkeimten, als er die letzten Schritte an das Grab seines Freundes heran trat, schloss er die Augen. So viel Blut, die entsetzlichen, gequälten Schreie…
Fünf Jahre war das nun schon her, doch der Gedanke daran schmerzten noch immer.

Ein Seufzer verließ Tonis Lippen, bevor er sich dazu zwang wieder auf zu sehen. Langsam glitt sein Blick von der Spitze des Obelisken abwärts, bis zur eigentlichen Grabstätte. Jetzt war er schon wieder hier. Warum tat er das eigentlich beinah jede Nacht? Sein Freund wurde davon auch nicht wieder lebendig und trotzdem wollte er ihm immer wieder Bericht erstatten, von seinem scheiß Tag erzählen, in der Hoffnung er würde dadurch irgendwie besser werden. Aber alles was er fand, war Leere und die Erinnerungen an einen letzten gemeinsam Kampf, den sie nicht gewinnen konnten. Eine ganze Woche lang waren er und Enrico gefangen, eingesperrt in einem finsteren Raum, in dem der einzige Lichtschein von einem Pentagramm aus Kerzen am Boden kam. Die Wände verschmiert mit dem Blut seines Freundes, der Raum erfüllt von Enricos Schreien, die Luft verpestet von dem Gestank verbrannten Fleisches… Nein er wollte nicht daran denken, wollten den Tod des Freundes nicht noch einmal sehen und um ihn trauern. Er wollte hassen!
Ganz von allein ballten sich Tonis Hände zu Fäusten. Wut und Verachtung erfüllte ihn einmal mehr:
„Ich hab gestern wieder einen von ihnen über den Haufen geschossen!“
Einen Racheschwur, den er mit Blut besiegelte, hatte er vor fünf Jahren hier zurück gelassen. Ein Versprechen, jeden einzelnen Drachen umzulegen. Bis zum letzten Atemzug würde er diese Teufel jagen und wenn er selbst dabei drauf ging.
Aber es brachte ihn nicht zurück. Immer wenn Toni hier stand, wurde ihm das klar. Kein Mord löschte die Erinnerung aus, oder gab ihm die Befriedigung etwas Gutes getan zu haben. Da war niemand mehr, mit dem er, die Freude eines Sieges über den verhassten Feind hätte teilen können.
Von der Grabstätte wanderte Tonis Aufmerksamkeit zurück auf einen Schriftzug im Sockel des Obelisken.

Enrico River
1985-2005
~Bis in den Tod, doch du kommst nie mehr zurück~


„Bis in den Tod …!“, hauchte er gegen das Grab. Wenn es doch nur wie früher gewesen wäre, wenn Enrico den Satz zu Ende bringen könnte. Er hätte so ganz anders gelautet, als der, den er hatte auf sein Grab meißeln lassen. So oft half ihnen dieser Spruch in aussichtslose Situation, gab ihnen Mut und Zuversicht und nun war er so endgültig wie der Tod selbst.
„…und wieder zurück!“, murmelte Toni, als wenn er dem Freund bei seiner Antwort helfen, den Grabspruch mit seinen Worten ändern könnte. Aber nur Stille blieb, trug seine Worte fort, als wenn es sie nie gegeben hätte.

An die Stelle der ersehnten Antwort trat der schrille Rufton seines Handy. Erschrocken fuhr Toni zusammen. Was sollte das mitten in der Nacht? Welcher Gott verdammte Teufel wollte ihn bitte erreichen und musste ihn damit so erschrecken? Er hatte keinen Nerv und keine Lust zu sprechen, wenn er hier war. Dennoch wandert seine Hand in die Tasche seiner Jacke, um zu sehen wer der Störenfried war, der es wagte nach seiner Aufmerksamkeit zu verlangen.

Ein Blick auf das beleuchtete Display enthüllte drei Buchstaben „Jan“. Erstaunt darüber löste sich Tonis dunkle Mine auf, wurde fragen. Die Wut wich simpler Verwirrung. Was wollte der Kerl? Seit gut fünf Jahren hatte er nichts mehr von ihm gehört, nicht ein Wort. Nach dem verlorenen Bandenkrieg hatte sich der verbündete Polizist aus dem Staub gemacht, war geflohen vor der Zerstörung und den immer wiederkehrenden Angriffen der roten Drachen, die auch die letzten Wölfe zu vernichten versuchten. Dieser elende Feigling! Was brachte ihn dazu, sich ausgerechnet jetzt zu melden?
Lange rang Toni mit sich, ob er den Anruf annehmen sollte. Etliche Male schrillte der Klingelton über den Friedhof, bis die Neugierde siegte.
„Was willst du?“, rief er schroff in das kleine Gerät und schickte seine Stimme damit von Deutschland bis in die USA.
„Bist du allein?“, schallte es vom anderen Ende der Welt zurück. Ja klar war er das, was sollte er auch sonst sein? Von den alten Freunden waren nicht mehr genug übrig, um mit ihnen um die Häuser zu ziehen. Von allen, die sich einst die Wölfe nannten, war er der Einzige, der noch in den Kampf zog.
“Was willst du?”, wiederholte Toni nur seine ursprüngliche Frage.
“Deine Hilfe!” Ach wirklich? Wen kümmerte das? Wo war denn seine Hilfe die ganzen Jahre über? Dieser Bitte entgegnete Toni ein simples Schweigen. Nicht einmal eine Antwort war sie ihm wert.
“Toni es ist ernst!” Jans Stimme klang verzweifelt und angespannt, ungewohnt für Tonis Ohren, aber noch lange kein Grund auf das Gespräch einzugehen:
“Du weißt schon mit wem du hier sprichst oder?”
“Ja und das macht es nicht einfacher! …Du musst nach New York kommen!” Er musste was? Auf keinen Fall! Er hatte seine Familie hier, Frau und Tochter, die würde er sicher nicht in diesen unsicheren Zeiten zurück lassen:
“Ich denk nicht daran!”
“Doch, du bist der Einzige der hier noch helfen kann! Ich hab dir schon ein Flugticket geschickt!” Ja und? Das sollte ihn nun überzeugen? Wieder hielt es Toni nicht für nötig zu Antworten, strafte seinen Gesprächspartner mit simplem Schweigen.
“Komm schon Toni. Mir liegt es nicht Menschen zu überreden, schon gar nicht dich!” Erneut schwang Verzweiflung in Jans Stimme mit.
“Nenn mir einen guten Grund warum ich hier alles stehen und liegen lassen sollte?”
“Ganz einfach! Weil du seit Enricos Tod keinen Sinn mehr im Leben siehst und ich das ändern könnte. Die Beamten der Flughäfen hab ich schon bestochen, der Rest liegt bei dir!” Damit war das Gespräch beendet. Ungläubig hob Toni das Handy vom Ohr und sah auf das Display. Jan hatte doch tatsächlich aufgelegt.
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BeitragThema: Re: Das Leben danach   Das Leben danach EmptyDo Dez 18, 2008 10:21 am

Daumen Hoch Bin total begeistert! Bitte schnell weiter *gg*

Was kann ich noch dazu sagen? Ahm, schöner Schreibstil, wie du ja ohnehin schon weißt Wink
Bin ja gespannt, was dieser Jan von Toni will *grübel* ...
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BeitragThema: Re: Das Leben danach   Das Leben danach EmptyDo Dez 18, 2008 2:52 pm

ich verstehe nicht, weshalb er keinen Sinn im Leben sieht, wenn er doch Frau und Kinder hat. Außerdem kommt er mir dafür etwas jung vor - wenn Enrico mit zwanzig gestorben ist...wieviele Jahre sind seit damals vergangen oder habe ich das überlesen?
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BeitragThema: Re: Das Leben danach   Das Leben danach EmptyDo Dez 18, 2008 6:33 pm

@Kemijoki: ^^ Es freut mich das ich dich mit der Geschichte mitreisen kann. Da freu ich mich ja gleich noch mehr wenn ich morgen das nächste Kapitel vorstelle. Und bisher hast du auch kein Wissen über die Charakter gebraucht um es zu verstehen oder?^^ schön schön.

@writer:
Wer sagt denn das er keinen Sinn im Leben sieht. ^^ Das hat ja nur Jan behauptet. Zu Tonis Alter. Nach Enricos Tod sind 5 Jahre vergangen. Toni ist damit inzwischen 24 Jahre. Die Information ist gut versteckt:
Zitat :
Was wollte der Kerl? Seit gut fünf Jahren hatte er nichts mehr von ihm gehört, nicht ein Wort. Nach dem verlorenen Bandenkrieg hatte sich der verbündete Polizist aus dem Staub gemacht,
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BeitragThema: Re: Das Leben danach   Das Leben danach EmptyDo Dez 18, 2008 7:18 pm

In deinem Forum hast du aber geschrieben, dass Enrico 44 wird und dass er Toni und seinen eigenen Sohn erschießt.
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BeitragThema: Re: Das Leben danach   Das Leben danach EmptyFr Dez 19, 2008 3:40 am

Ich erklär das besser mit dem nächsten Kapitel^^:

2. Kapitel
~Todgeglaubte leben länger~


New York bei Nacht. Ein überwältigender Anblick. So viele Lichter , so viele Menschen und Autos. Unter ihm begann das Nachtleben einer der größten Städte der Welt und über ihm verschwanden die Sterne. Schon seit Jahren hatte er keinen einzigen mehr gesehen. Nur der Mond schien hell und klar und verlor sich doch, anhand der vielen Lichter der Stadt.

Das Aufheulen einer Polizeisirene brach sich an den Hochhauswänden unter ihm und wurde vom stürmischen Abendwind zu ihm hinauf getragen, dann wurde es wieder still. Vom hektischen Treiben da unten, war hier nichts zu spüren. Ganz oben, auf den Wolkenkratzern der Stadt herrschte angenehme Ruhe. Nur der Wind rauschte durch die Lücken zwischen den Hochhäusern und über ihre Dächer und ihn hinweg.
Seit Monaten war der Sturm hier oben, die einzige Berührung, die er zuließ. Nur am Rande der Dächer, dem Abgrund so nah, fühlte er sich wieder frei. Wenn ihm der Wind um die Ohren schlug und seine blonden Haare durcheinander brachte, er nur einen Schritt brauchte, um für immer zu vergessen, verschwanden all seine Sorgen und Ängste. Mit den Hände in den Taschen seiner Jeans, genoss er den Gedanken, es jederzeit beenden zu können. Seine Jacke umwehte ihn dabei wie schwarze Flügel, während das Mondlicht sein blasse Gesicht enthüllte. Zwei tiefe Narben zogen sich hindurch, eine über die rechte Augenbraue, eine andere über die linke Wange. Ein gezeichneter, junger Mann von kaum 25 Jahren. Seine Gestalt war klein, dünn, fast schon mager. Seit Wochen hatte er kaum etwas gegessen, der Hunger dazu fehlte ihm einfach. Nicht einmal Durst verspürte er und bald würde alles andere ebenso vergehen.

Der Blick des Blonden, mit den eisblauen Augen erhob sich, hinauf zum Mond. Wie passend, ein Wolf der bei Vollmond starb und dieses Mal war niemand da, um es zu verhindern.
Vor der Welt schloss er die Augen, lauschte den gedämpften Geräuschen der Stadt und erinnerte sich dabei an seine Heimat.
An die alte Fabrik, in der er so viele Jahre gewohnt hatte, das Heim in dem er aufwuchs, der stillgelegte Bahnhof, dessen Schienen unter Gras und Sträuchern verschwanden und der weiße Sandstrand, mit dem offenen Meer. In all die Orte seiner Vergangenheit mischte sich eine Gestalt, ein Gesicht, ein Lächeln. Unweigerlich legte sich auch auf sein Gesicht ein Lächeln, während in ihm die Stimme seines besten Freundes widerhallte:
“Bis in den Tod…!” So oft hatte er zusammen mit ihm gekämpft, so oft war er eine Quelle der Kraft gewesen und bevor die Bilder seines Todes zurück kamen, wollte er mit seinem Lächeln in die Tiefe stürzen.
“…zu dir zurück!”, entgegnete er der Stimme in seinem Kopf und lehnte sich vor, auf die Schwingen des Windes, die ihn noch trugen, bevor eine Flaute ihn endgültig fallen lassen würde.
“Toni!”, trug der Wind seine Stimme fort.

“Enrico nicht!”, rief jemand seinen Namen. Eine Frau, ihr Tonfall, so bekannt, so unheilvoll, so nervend. Nicht schon wieder, war sein einziger Gedanke, als ihn eine Hand am Arm packte, ihn zurück zog.
“Spinnst du?”, rief eine andere Stimme, die eines Mannes, während ihn eine weitere Hand am Kragen packte, ihn endgültig vom Rand des Daches zurück zog. Stolpernd taumelte er in die Realität zurück und verlor dabei den Halt. Anstatt auf der Straße neben dem Wolkenkratzer aufzuschlagen, fiel er nur auf das Dach zurück und sah auf dem Rücken liegend zu den zwei Menschen auf, die meinten ihn retten zu müssen. Wie zum Teufel hatten sie ihn hier überhaupt gefunden? Suchend ging sein Blick über das Dach. Sicher waren sie den selben Weg gekommen wie er selbst. Den Fahrstuhl hinauf, bis ins oberste Stockwerk und über eine Luke aufs Dach.
“Sag mal bist du irre geworden? Was sollte das? Willst du dich umbringen?”, schrie die dunkle Stimme des Mannes ihn an. Ja, sicher, was sollte er auch sonst am Rande eines Daches wollen? Welch logische Schlussfolgerung. Von dem Mann mit den schwarzen, kurzen Haaren und den asiatischen Augen wanderte Enricos Aufmerksamkeit zu der Frau, die sich nun über ihn beugte. Besorgnis lag in ihrem Blick, Verzweiflung in ihrer bebenden Stimme:
“Lass uns nach Hause gehen!”
Ein guter Witz. Er konnte nicht zurück nach Hause, denn dort gab es nichts mehr, zu dem er hätte zurückkehren können und das, was sie zu Hause nannte, war nichts weiter als ein Gefängnis für ihn. Ein Ort, in dem sie alle scharfen Gegenstände aus seiner Reichweit entfernt hatten, an dem sie immer zur Stelle waren, wenn mit ihm etwas nicht stimmte. So wie auch jetzt, hätte er doch nur Anlauf genommen.
“Komm schon!”, drängte der Asiat und zog ihn am Arm auf die Beine.
Jetzt sollte er auch noch mit ihnen kommen, zurück in das alte Schiff, in dem sie hausten, in sein dunkles Zimmer, in dem ihn die Alpträume seiner Vergangenheit heimsuchten. Sehnsüchtig sah Enrico zum Rand des Daches zurück, fühlte noch einmal den stürmischen Wind über das Dach fegen, dann schubsten sie ihn schon durch die Luke, zurück ins sichere Gebäude. Über den Aufzug brachten sie ihn gefahrlos ins unterste Stockwerk und über die Empfangshalle hinaus auf die Straße. Mit festen Schritten näherten sie sich einem roten Cabrio, das Auto eines Freundes, ein Wunder, dass er nicht auch noch mitgekommen war.
Seufzend sah Enrico an dem Wolkenkratzer hinauf, fünfzig Stockwerke hoch ragte er. Einen Sturz aus dieser Höhe hätte er mit Sicherheit nicht überlebt und nun stand er hier unten, unversehrt. Welch Enttäuschung.
“Jetzt steig endlich ein!”, mahnt ungeduldig die Stimme des Mannes. Er und seine Begleiterin hatten schon im Wagen Platz genommen. Alles wartete nur auf ihn.
Einen letzten Blick warf Enrico hinauf zum vollen Mond. Heute Nacht würde es enden, versprach er sich und seinem toten Freund.

Nur widerwillig stieg er ein, ließ sich auf dem Rücksitz nieder. Die Beine legte er auf dem freien Platz neben sich ab, während seine Hände zurück in den Taschen seiner Jeans wanderten. Sollten sie ihn ruhig zurück bringen, das würde nichts an seiner Entscheidung ändern. Wenn sie alle schliefen, fand er sicher etwas Brauchbares in der notdürftig eingerichteten Küche.

“Ich ruf Jan an! Hoffentlich hat er wenigstens etwas erreicht!”, hörte er die Frau sagen, als sich das Cabrio in Bewegung setzte. Einen fragenden Blick warf Enrico ihr zu. Was kam nun? Die Einweisung in eine Psychiatrie? Nein, das würden sie nicht wagen. Finster, einer Drohung gleich, beobachtete Enrico ihr Tun. Sie in ihrem schwarzen, viel zu engen Kleid. Sie mit den langen Haaren und den braunen Augen. Robin, seine älteste Verbündete, sie hatte ihm viel zu lange zur Seite gestanden, als ihn jetzt einfach abzuschieben und auch Lui, der Asiat mit den schwarzen Haaren, würde sich hüten seinen ehemaligen Chef in eine Irrenanstalt einzuweißen, oder? Misstrauisch ging Enricos Blick von einem zum anderen. Was heckten sie nur die ganze Zeit hinter seinem Rücken aus?
“Und hast du ihn endlich angerufen?”, rief Robin schroff in ihr Handy. Ihn? Wenn sie wohl damit meinte?
“Gut, was hat er gesagt? Kommt er her?” Herkommen? Jemand kam zu Besuch?
“Warum nicht? Hast du ihm nicht gesagt worum es geht?”, Robins Stimme wurde mit jedem Wort energischer, beinah schon aggressiv. Verwirrung machte sich Enrico breit. Irgendetwas verschwiegen sie ihm schon seit sie her gekommen waren. Nur was? Schließlich wurde Robin wieder sanft, beinah mutlos ließ sie ihren Gesprächspartner wissen:
“Stimmt, du hast recht, daran hatte ich nicht gedacht!… Ja… ja ihm geht’s gut!” Mit einen Blick in den Rückspiegel verdeutlichte Robin, dass sie wohl gerade über ihn sprachen. Prima, nun kam wieder die Mitleidsnummer. Entnervt wandte Enrico seinen Blick von ihr ab und über den Rücksitz, hinaus auf die Straße. Sollten sie ihre Pläne schmieden, er hatte seine eigenen.
Das Kinn in die offene Handfläche gestützt, sah Enrico den Häusern und Leuchtreklamen zu, die an ihm vorbei zogen. Nicht mehr lange und er war wieder zurück in der Einsamkeit seines Zimmers, dann würden sie sich auch einen Scheiß um ihn scheren.

Immer weniger Hochhäuser begleiteten die Fahrt. Schließlich wurden sie von kleineren Wohnblöcken abgelöst, letztlich blieben nur ein paar vereinzelte Einfamilienhäuser und schließlich nur noch Sand. Die Räder des Cabrios knirschten unter ihnen, trugen den Wagen das letzte Stück bis zum Meer. Sie waren da! In unmittelbarer Nähe des großen Frachters, in dem sie wohnten, hatte Lui geparkt und war schon ausgestiegen. Auch Robin hielt es nicht mehr im Wagen. Nur er wollte nicht aussteigen. Stur ging Enricos Blick über das Meer, verlor sich in der Ferne. Irgendwo dort hinter dem Horizont lag seine Heimat. Wie es dort wohl inzwischen aussah? Ob er seine Stadt überhaupt wieder erkennen würde, oder sie ihn?
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BeitragThema: Re: Das Leben danach   Das Leben danach EmptyFr Dez 19, 2008 3:40 am

“Enrico träum nicht, komm endlich!”, mahnte Robins Stimme. Ungeduldig warteten sie und Lui mal wieder nur auf ihn. Mit einem Seufzer raffte Enrico sich auf, quälte sich aus dem Rücksitz. Sein von Narben durchzogener Körper wollte ihm nur bedingt gehorchen. Alle Muskeln und Gelenke waren wie steif, ließen sich nur unter großer Anstrengung überhaupt bewegen. Er musste unbedingt ausruhen. Viel zu lange war er schon unterwegs gewesen. Bis in die Stadt, zu den ersten Wolkenkratzern war es weit gewesen, kein Wunder, dass er sich nun kaum auf den Beinen halten konnte. Bis in sein Bett, weiter würde er nicht gehen. Mit langsamen Schritt folgte Enrico seinen Freunden, die schon die Geduld mit ihm verloren hatten und voraus gegangen waren.

Über eine Rampe, gebaut aus zusammengenagelten Brettern, gelangte Enrico an Deck des Schiffes. Ein letzter Seufzer und er fügte sich den ungeduldigen Blicken, folgte seinen Freunden ins Innere des Frachters.
Bis sie alle zu Bett gegangen waren und tief und fest schliefen, konnten Stunden vergehen. Zeit genug sich selbst hin zu legen, auszuruhen, bevor sein Körper ihm gar nicht mehr gehorchte und er nicht einmal mehr ein Messer halten konnte.
Nach einer schweren Eisentür, die Lui ihnen öffnete, traten sie ein in einen langen finsteren Gang. Etliche Türen führten von dort in separate Zimmer, die alle durchnummeriert waren. Kabine 113, hier wollte er hin, die Tür hinter sich schließen und niemanden mehr sehen. Den verrosten Schlüssel im Schloss drehte er um, drückte die Klinke hinunter, bis Robins Stimme hinter ihm rief:
“Vergiss es! Du wirst mit uns zu Abend essen!” Er würde was? Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Essen, schon beim Anblick wurde ihm Schlecht. Das konnten sie ohne ihn tun! Zügig versuchte sich Enrico in sein Zimmer zu flüchten. Weg von der Mahlzeit und den vorwurfsvollen Blicken, die ihn zum Essen zwingen wollten. Luis Hand aber zog ihn einmal mehr zurück. Mahnend erhob er den Tonfall als er sprach:
“Robin hat zwei Stunden in der Küche gestanden, da kannst du dich fünf Minuten zu uns setzen!” Ja, wenn es nur beim Setzten bleiben würde. Er hatte keinen Hunger mehr, wann würden sie das endlich begreifen?
Von der Tür drückte Lui ihn weg, schubste ihn vor sich her, bis sie den langen Gang hinter sich hatten. Ein großer Raum tat sich auf, in dessen Mitte einige Kerzen auf einem Tisch für Licht sorgten. Um den Tisch herum waren drei Sessel und ein Sofa aufgestellt. Genug Platz für sie vier, auf Gäste brauchten sie ja hier nicht zu hoffen.
Teller und Besteck lagen um die Kerzen herum verteilt, nur schemenhaft konnte man sie im flackernden Schein erkennen. Der einzige Vorteil an ihrem armseligen Leben, so würde er das Essen gar nicht erst erkennen.
“Ich geh`s noch mal aufwärmen!”, mit diesen Worten schickte sich Robin an, in der rechten Hälfte des Raumes zu verschwinden. Irgendwo hinter alten Kisten und verstaubten Fässern, standen zwei Herdplatten, die von einem kleinen Dieselmotor angetrieben wurden.
Trotzdem, was Robin da zu zaubern versuchte, roch gar nicht schlecht. Ob sie sich wohl wirklich an einem Hasenbraten versucht hatte? Immerhin seine erklärte Lieblingsspeise. Während Enricos Blick ihr zweifelnd hinter die Kiste folgte, drückte Lui ihn in einen der Sessel. Von hier würde er so schnell nicht wieder weg kommen und im Grunde wollte er das auch gar nicht.
Das sie gemeinsam bei Tisch saßen war nicht Alltäglich. Jeder bediente sich selbst an der Vorratskammer, wenn er Hunger hatte. Mit diesem Abendessen hatten sie sich sicher viel Mühe gegeben, beinah so als wenn all ihre Hoffnung darauf beruhte, dass er endlich wieder aß. Er wollte sie nicht Enttäuschen. Auch Robin vor den Kopf zu stoßen, ihr Essen abzulehnen, lag ihm fern. Aber…
Kaum brachte Robin den gekochten Hase auf einem Tablett an, da drehte sich ihm schon der Magen um. So sehr er sich wünschte es wäre anders gewesen, bei gekochtem Fleisch wurde ihm einfach schlecht. Ein Abendessen würde er nie und nimmer überstehen. Eisern stemmte sich Enrico aus dem Sessel. Er musste hier weg.
“Du bleibst!”, tönt es neben ihm. Die Hand eines Mannes drückte ihn zurück. Dieser Typ hatte ihm gerade noch gefehlt. Der selbsternannt, neue Führer ihrer Gruppe, Jan Yutaka. Einst Polizist einer Spezialeinheit und später seine rechte Hand, nun nichts weiter als Enrico ein Dorn im Auge. Was brachte es schon, wenn er hier blieb und keinen Bissen hinunter brachte? Nur widerwillig gab Enrico dem Druck auf seiner Schulter nach, ließ sich wieder in den Sessel sinken. Um den Tisch herum führte Jan seine Schritte und nahm in dem Sessel ihm direkt gegenüber Platz. Feindselige Blicke tauschten er und Enrico aus, dann verschwand Jans rechte Hand in seiner Jackentasche und zog aus ihr ein Feuerzeug samt Zigarettenschachtel. Ja, das würde helfen seinen Appetit anzuregen, erst mal eine Runde qualmen. Lässig zündete sich Jan eine der Kippen an und verstaute Feuerzeug und Schachtel wieder in seiner Jacke. Robin schnitt währenddessen den Braten an, verteilte einige herausgeschnittene Stücke auf den Tellern.
Wieder überkam Enrico das Gefühl hier nicht bleiben zu können. Nachdem Robin Klöße und Soße angerichtete hatte, lagen die Blicke seiner Freunde wieder auf ihm. Erwartungsvoll und so ernst. Es ging um sein Leben, das wussten längst alle. Wie lange sein geschwächter Körper das Hungern noch aushalten würde, wusste er selbst nicht genau. Trotzdem, der Teller vor ihm wollte einfach nicht appetitlich aussehen, dabei war alles mit so viel Hingabe zubreitet wurden.
Mit gesenktem Blick, um seinen Freunden nicht ins Gesicht sehen zu müssen, schob Enrico den Teller von sich. Er konnte nicht und im Grunde wollte er auch gar nicht.
“Gut dann verschwinde, bevor uns auch noch Appetit vergeht!”, schlug ihm die raue Stimme Jans entgegen.
“Jan!”, versuchte Robin ihn vergeblich zum Schweigen zu bringen.
“Was? Ist doch wahr. Ich kann den Waschlappen nicht mehr sehen! Er bekommt noch nicht mal den Mund auf. Los hau ab in dein Zimmer und vergiss das nicht!” Quer über den Tisch warf Jan das Messer, mit dem Robin zuvor den Braten angeschnitten hatte. Klirrend landete er auf Enricos Teller, warf den Braten vom Tellerrand.
“Meinen Segen hast du!”, fügte Jan seiner Tat hinzu.
Ohne ein Wort sah Enrico noch immer unter allen Blicken hinweg. Nun hatte zumindest Jan ihn endgültig aufgegeben. Seine überflüssigen Worte, hätte er sich dennoch ersparen können und auch eine Erlaubnis würde Enrico nicht brauchen. Wann er sich umbrachte, entschied er noch immer selbst.
Wütend erhob er sich. Was wusste er denn schon. Er hatte keine Alpträume die Nacht für Nacht zurück kamen, musste sich nicht jeden Morgen mit Schmerzen aus dem Bett kämpfen, nur um einen weiteren sinnlosen Tag zu verleben.
Ohne einen letzten Blick zurück verließ Enrico den Raum, kehrte zurück in den dunklen Gang und steuerte seine Kabine an. Erst mit raschen Schritten, dann langsamer.
Etwas stimmte nicht mit ihm, ein Schwindelgefühl begleitete jede Bewegung, während sich ein Brennen in seinen Schulterblättern ausbreitete.
“Nicht schon wieder!”, stöhnte Enrico gequält, taumelte er die letzten Schritte bis zur Tür und fing sich dort an der Klinke ab. Diese Art von Anfall kannte er nur all zu gut, aber musste das ausgerechnet heute Abend sein? Was hatte er auch so weit laufen, sich derart verausgaben müssen? Und alles für nichts und wieder nichts.
Die zuvor geöffnete Tür gab seinem Gewicht nach, entließ ihn in die Zuflucht seines Zimmers. Mit letzter Kraft schloss er sie hinter sich wieder, dann schwand die Kraft aus seinen Beinen, ließ ihn zu Boden gehen. Im Sitzen, lehnte sich Enrico zurück und zog die Beine an. Jetzt ging das schon wieder los. Immer wenn er so fertig und verzweifelt war, spielte sein Kreislauf verrückt.
Zwei mal schlug Enrico seinen Kopf gegen die Wand in seinem Rücken. Dieser verdammte Körper war zu nichts mehr zu gebrauchen. Seine Feinde hatte ganze Arbeit geleistet. Den Ärmel seiner Jacke schob Enrico zurück und sah auf den Arm darunter. Über den gesamten Unterarm zog sich vernarbte Haut, einst verbrannt und zerschnitten, wie der Rest seines Körpers. Unweigerlich musste Enrico an die Zeit in Gefangenschaft denken. An die Tage in Dunkelheit, an die Hitze des glühenden Messers, dass sich immer tiefer durch seinen Fleisch zog. Der Schmerz von damals kehrte zurück, breitete sich in seinen Körper aus, wie immer wiederkehrende Blitz.
“Toni, hilf mir doch!”, flüsterte er, flehte den Freund an, der schon lange nicht mehr an seiner Seite war. Dabei umschlang er mit den Händen über Kreuz seine Schultern. Sie die einst von den Katanas seines Erzfeindes durchschlagen wurden, stachen noch immer wie mit tausend Nadeln traktiert. Wo waren sie jetzt, die Freunde die ihn vom Dach holten? Sie die meinten er müsse unbedingt leben. Nun wo er sie wirklich hätte gebrauchen können, … nun waren sie nicht da.
Die ersten Tränen bahnten sich ihren Weg über seine Wangen und fielen auf seine angewinkelten Knie. Es sollte aufhören für immer. Nie wieder wollte er es spüren, frei sein von allen Empfindungen. Stattdessen konnte er sich kaum bewegen. Alle seine Muskeln zogen sich zusammen, zum Schutz vor dem Peiniger, der nur in seinen Gedanken existierte und ließ ihn nicht einmal bis in sein Bett kommen. Dabei war er so müde, so völlig am Ende, wollte nur noch schlafen. Aber der Alptraum, der sich in seinem Kopf abspielte und die Krämpfe in seinem wunden Körper, ließen ihn nicht los. So blieb er eben sitzen. Wie immer allein mit seiner Verzweiflung, bis ihm vor Erschöpfung die Augen zu fielen und er sich, wie so oft, in den Schlaf geweint hatte.
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BeitragThema: Re: Das Leben danach   Das Leben danach EmptySo Dez 21, 2008 12:24 pm

das ist traurig. Aber ich verstehe nicht ganz, warum Enrico fünf Jahre lang von Toni ferngehalten wurde, wer in dem Grab liegt und wie es überhaupt zu diesem Missverständnis kommen konnte. Bitte poste ganz schnell weiter! Wie lang ist das Buch denn eigentlich?
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BeitragThema: Re: Das Leben danach   Das Leben danach EmptySo Dez 21, 2008 1:44 pm

Das wird sich alles im 4. Kapitel aufklären^^. Das Buch hat 20 Kapitel wie viele Seiten weiß ich aber nicht.
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BeitragThema: Re: Das Leben danach   Das Leben danach EmptyMo Dez 22, 2008 7:21 am

Da ich leider keinen Doppelpost mehr machen darf, hier nur die Hälfte des 3. Kapitels

3.Kapitel
~Abschied von Kira?~

Den ganzen Heimweg musste Toni über Jans Worte nachdenken. Einen Sinn im Leben? Welchen Sinn konnte der Kerl ihm denn schon geben? Es war ja nicht so, als wenn seine Existenz jemals von Bedeutung gewesen wäre. Ein Mörder war nicht unbedingt das wertvollste Individuum der Gesellschaft. Was also konnte er schon tun?

Die Straße, die Toni zurück in die Stadt gebracht hatte, endete an einem Bahnsteig. Nur noch ein paar Schritte und er war wieder zu Hause. Für diese Nacht hatte er seine Familie am stillgelegten Bahnhof zurück gelassen. Um nicht von ihren Feinden gefunden zu werden, wechselten sie jede Nacht ihren Aufenthaltsort, trotzdem bog er immer mit Besorgnis um die letzte Ecke. Waren sie noch hier? Ging es seiner Freundin und Tochter gut? Waren sie angegriffen wurden?
“Paaaappppaaaa!”, gab die glockenhelle Stimme seiner Tochter Entwarnung. Über die Schienen, die von Gras und Sträuchern überwuchert wurden, kam sie ihm entgegen gelaufen. Obwohl es dunkel war, hatten die Kinderaugen ihn sofort erkannt und noch bevor sie sich ihm in die Arme warf, hatte Toni schon ganz von allein den Sinn seines Lebens entdeckt. Dafür brauchte er keinen Jan, keinen endlos langen Flug in die USA. Er lag genau hier, trug blonde Engelslocken und den Namen Kira. Seine fünf Jahre alte Tochter, war alles was er brauchte.
Mit einem zufriedenen Lächeln hob Toni sie unter den Armen zu sich hinauf, drückte sie an sich. Es ging ihr gut, das reichte aus alle finsteren Gedanken aus seinem Gedächtnis zu vertreiben. Bis auf zwei.
Was machte sie außerhalb des Bahnhofes? Müsste sie nicht bei ihrer Mutter sein?
“Du sollst doch nicht allein draußen spielen!”, mahnte er, um zu erfahren was sie hier so ganz allein tat.
“Aber Tante Judy ist da und mir war so langweilig!” Judy? Was wollte die denn schon wieder hier? Die Ehefrau Enricos kam in letzter Zeit ein wenig zu oft für seinen Geschmack zu Besuch. Auch wenn sie und die Mutter Kiras Freundinnen waren, erschienen ihm diese nächtlichen Treffen nicht normal. Zumal sie jedes Mal zu sprechen aufhörten, wenn er den Raum betrat und nun hielten sie es nicht mal für nötig auf Kira auf zu passen.
Mit seiner Tochter auf dem Arm überquerte Toni die Schienen, lief einem Gebäude entgegen, dass sich nur als schwarzer Umriss vom Himmel abhob. Dieses Mal kam er hinter ihr Geheimnis, nahm er sich fest vor und trat lautlos durch die offen stehende Tür ein. Eine große Empfangshalle mit glattem Marmorboden tat sich vor ihnen auf, mehr war nicht zu erkennen. Lediglich Stimmen waren zu hören. Irgendwo im ersten Stock unterhielten sich zwei Frauen.
“Sie sind oben!”, bestätigte Kira seine Vermutung. Viel zu laut empfand Toni ihre Stimme dabei. Irgendwie musste er Kira dazu bringen das sie ruhig war. Wenn er die beiden Freundinnen belauschen wollte, musste er mit seiner Tochter taktisch vor gehen:
“Pssccht! Wir wollen der Mama heute mal einen Streich spielen. Dazu müssen wir ganz leise sein!”
“Oh ok!” Mit einem Nicken und beiden Händen vor dem Mund, gab Kira ihm zu verstehen, dass sie ruhig sein würde. Stolz betrachtete er sie noch einmal. Sie war wirklich ein liebes Kind so artig und gehorsam.
Vor sich ließ Toni seine Tochter wieder runter und nahm sie an die Hand.
“Na komm!”, flüsterte er ihr noch zu dann suchten sie sich gemeinsam ihren Weg durch die Dunkelheit bis zu einer Treppe. Die hölzernen Stuffen knarrten leise unter jedem ihrer Schritte, während die Stimmen der beiden Frauen immer deutlicher zu hören waren:
“Warum nicht? Toni ist nicht da, das wäre die Gelegenheit!” Also doch, irgendetwas planten sie hinter seinem Rücken. So leise es die knirschenden Holzdielen zu ließen schlich er sich an den Raum heran, aus dem die Stimmen kamen und ging hinter der geöffneten Tür in Deckung. Durch den Spalt zwischen Tür und Wand sah er ins Innere. Im Schein einer Kerzenflamme konnte er seine Freundin Anette und auch Judy erkennen.
“Ich weiß nicht. Ich will das nicht ohne ihn entscheiden!”
“Aber du hast dich doch schon längst entschieden!”
“Schon, aber er hängt so an Kira!” Kira? Es ging um ihre gemeinsame Tochter. Besorgt fiel Tonis Blick auf das kleine Mädchen an seiner Hand, die geduldig mit ihm hinter der Tür wartete.
“Ja eben, er wird sie nie gehen lassen. Komm mit mir, meine drei sitzen schon im Auto. Lass sie uns heute Nacht für immer von hier weg bringen!” Fassungslos sah Toni zurück in den Raum. Sie wollten sein kleines Mädchen weg bringen, aber warum und wohin? Was hatte das alles zu bedeuten?
“Ich weiß nicht. Das Heim war schön, aber… sie wird mir so unheimlich fehlen!” Heim? Damit hatte Toni endgültig genug gehört. Wütend ließ er die Hand seiner Tochter los und trat um die Tür herum ins Zimmer ein.
“Wann hattet ihr vor mir das zu sagen? Wenn ihr sie schon weg gebracht habt?”
“Buhhh, große Überraschung!”, ertönte Kiras helle Stimme neben ihm. Sofort zog Toni seine Tochter hinter seinen Rücken. Die würden sie nicht weg bringen, nicht so lange er es verhindern konnte.
“Was machst du denn schon hier?”, war Judys einzige Reaktion auf sein Auftauchen. Die Arme der jungen Frau verschränkten sich vor ihrer Brust, während sie ihn von unten bis oben abwertend musterte. Verachtung lag in ihrem Blick, so wanderte Tonis Aufmerksamkeit auf seine Lebensgefährtin. Sie die ihn so hintergangen hatte und nun nur einen Seufzer von sich gab. Auffordernd lag sein Blick auf ihr. Sie sollte reden, wenigstens irgendetwas zu ihrer Verteidigung anbringen, bevor er ihr ordentlich die Meinung sagen wollte. Aber sie schwieg, kam lediglich langsam und mit nachdenklichem Blick auf ihn zu. Ihre Augen waren sanftmütig so wie immer, ihre Haltung hingegen war entschlossen, so als wenn sie für alles bereit war.
“Lass uns unter vier Augen reden!”, schlug sie ihm vor, während sie um ihn herum die Hand ihrer Tochter faste, sie weg zog und sanft in Judys Richtung schubste.
“Nein!”, versuchte Toni vergeblich seine Tochter zu greifen, sie wieder in die Sicherheit seines Rückens zu ziehen.
“Sie wird sie nicht mit nehmen ohne unserer Erlaubnis und nun komm mit mir!” Misstrauisch blieb Tonis Blick auf Judy haften, während Anette seinen Arm nahm und ihn mit sich zog. Eine unausgesprochene Drohung, einen zutiefst, finsteren Blick, ließ er im Raum zurück. Sollte Judy mit seiner Tochter verschwinden, er würde sie ausfindig machen, dann konnte sie sich neben ihrem Mann beerdigen lassen. Diese falsche Biest, das seine Familie zerstören, ihm um das Liebste bringen wollte. Hochkant würde er sie aus ihrer nächtlichen Unterkunft werfen, wenn er zurück kam. Scheiß egal das sie mal mit Enrico verheiratet war, Toni hatte sie noch nie ausstehen können. Während in ihm immer mehr Wut aufstieg, merkte er noch nicht einmal wie sie das Zimmer verließen und Anette ihn in die Einsamkeit eines angrenzenden Raumes mit genommen hatte.
“Ich weiß ich hätte schon viel früher mit dir sprechen müssen, aber ich wusste nicht wie und jetzt fällt es mir auch schwer einen Anfang zu finden!”, rief Anette ihn aus seinen Gedanken zurück. Schweigend beobachtete er sie dabei, wie sie die Tür hinter sich und ihm schloss. Sicher, sie hätte schon früher etwas sagen sollen, auch wenn seine Antwort die selbe gewesen wäre.
“Ich weiß du liebst Kira sehr, mir geht es doch genau so. Ich weiß auch du würdest für sie die Sterne vom Himmel holen, aber hast du dich hier mal umgesehen?” Verwirrt von ihren Worten ließ Toni seinen Blick durch den leeren Raum schweifen. In der Finsternis war nur der Umriss des Fensters zu erkennen. Auf dem Boden lagen Spielsachen, so viel wusste er, auch wenn das Licht, das von außen ins Zimmer fiel, nicht ausreichte es zu sehen. Es war Kiras Zimmer, in dem sie spielen konnte, wenn sie den alten Bahnhof für eine Nacht zu ihrem zu Hause machten. Was war daran so verkehrt?
“Wann hat sie das letzte Mal die Sonne gesehen? Würde sie nicht manchmal am Tag wach werden, wäre das schon Monate her!” Das war es also was Anette störte, die Dunkelheit. Aber das war nun mal ihr einziger Schutz.
“Sie ist eine Wölfin! Wir sind nun mal Nachtaktiv!”
“Das ist seit Jahren deine einzige Ausrede. Sie ist kein Wolf sie ist ein Kind Toni. Wozu kaufen wir ihr überhaupt bunte Spielsachen, für sie sehen sie ohnehin alle grau aus.” Das war es? Deswegen wollte sie Kira weggeben? Nur weil sie bisher die Sicherheit der Finsternis für sich genutzt hatten?
“Und deswegen willst du sie ins Heim geben?”
“Nein!”, Anettes Stimme wurde leise, verlor sich beim Sprechen in einem Flüstern. Als wenn sie sich vor ihren folgenden Worten schützen müsste, legten sie beide Arme übereinander, während ihr Augen traurig den Boden musterten.
“Amy wurde vor einer Woche vergewaltigt! Judy hat sie nackt mit einem Red Dragon in ihrem alten Zimmer gefunden!” Amy? Die siebenjährige Tochter Enricos? Fassungslos sah Toni auf Anette. Sprach sie da wirklich die Wahrheit?
“Judy hat den Kerl sofort erschossen, aber das macht die Tat nicht ungeschehen. Deswegen drängt sie so darauf, dass wir Kira mit wegbringen. Und ich finde sie hat recht!” Nur mit mühe Erhob sich Anettes Blick wieder, sah ihn fragend an, als wenn sie sich irgend eine Reaktion von ihm verhoffte. Er aber war viel zu geschockt, um ihr zu antworten. Wie konnten dieses Schweine einem armen Kind… Deshalb war Amy so still die letzte Woche gewesen, wenn Judy zu besuch war. Das dunkelhaarige Mädchen hatte immer so ausgelassen mit ihren zwei Brüdern und Kira gespielt. In letzter Zeit aber, saß sie nur schweigend auf dem Schoß ihrer Mutter und entfernte sich keinen Zentimeter von ihr. Er hatte sich schon gewundert, geglaubt sie wäre vielleicht krank gewesen. Aber so etwas…
Er wusste schon warum er diese Typen gnadenlos abschoss. Unwillkürlich wurde sein Blick finster. Bedrohlich starrte er vor sich hin. Heute Abend würde mindestens einer dieser Kerle in schwarz dafür drauf gehen.
“Aber es ist nicht nur das…” Was kam jetzt noch?
“Kira hat mich heute Nacht etwas gefragt, was mich sehr nachdenklich gemacht hat!” Schweigen schlich sich für einen Moment ein. Anettes Blick sank unter seinem hinweg, so als wolle sie ihm die Worte der Tochter nicht sagen, ihn davor schützen. Erst nach einem lang gezogenen Seufzer fuhr sie fort:
“Sie wollte wissen, ob ihr Vater ein böser Mensch ist und ob sie auch mal böse wird wenn sie groß ist!” Wie ein Dolchstoß trafen Toni diese Worte. Das sollte seine Tochter wirklich gefragt haben? Wie kam sie überhaupt auf so einen Gedanken?
“Toni sie hat dich gesehen. Sehr oft sogar. Sie weiß genau das du nachts los geht’s und Menschen tötest!”
“Und deswegen willst du sie mir weg nehmen?”
“Ich will sie dir nicht weg nehmen, aber ich will nicht das sie so groß wird. Ich will nicht jeden Tag von einem Ort zum nächsten hasten, aus Angst man könnte uns finden. Ich will das sie in Sicherheit ist!” Das war eindeutig zu viel: Er hatte sie gut beschützt. Bisher war seiner Familie nichts passiert. Immer wenn Gefahr drohte hatte sich Kira gut versteckt, so wie er es ihr bei gebracht hatte, während er den Feind in die Flucht geschlagen hatte. Fünf Jahre lang hatte seine Taktik funktioniert. Warum sollte es nicht auch weiterhin so klappen?
“Ich hab euch immer gut beschützt. Nie ist euch was passiert und ich kämpfe noch immer für Frieden!”
“Das ist nicht wahr Toni! Du kämpfst aus Rache und weist dich dabei noch nicht einmal selbst zu schützen. Wie oft bist du schon blutüberströmt nach Hause gekommen und mir nur noch halbtot in die Arme gefallen? Glaubst du Kira hat das nicht gesehen? Ständig muss sie Angst um ihren Vater haben, Angst um ihr eigenes Leben. Nie sieht sie die Sonne oder kann mal auf einem Spielplatz mit anderen Kindern spielen. Sie wird nie zur Schule gehen. Immer ist sie gebunden an ihr Zimmer, nur weil das ihr einziger Schutz ist. Das ist es nicht was ich mir für sie wünsche und du doch auch nicht!”
“Nein…doch, ahhh!” Was sollte er denn dazu sagen? Alles was Anette erklärte war so wahr und tat so unbeschreiblich weh. Nie hatte er darüber nach gedacht Kira weg zu geben, er wollte es einfach nicht. Das Kind gehörte zu ihm, alles hätte er für sie getan. Warum konnte er sie nicht beschützten, ihr kein friedliches und schönes zu Hause geben? Warum hatte er den Kampf nicht einfach sein lassen können? Warum war er auch nur ein so schlechter Mensch, das selbst seine Tochter es schon merkte?
“Toni bitte! Unser Schicksal können wir nicht mehr ändern, aber ihres schon!”, versuchte Anette ihn noch immer zu überzeugen. Ihre Stimme war so sanft, ihr Blick so friedlich. Er hatte weder sie noch seine Tochter verdient:
“Gut dann bringt sie eben weg, aber ich werde nicht mehr dabei sein!” Die Arme Anettes die sich beschwichtigend um ihn legen wollten, stieß er bei Seite. Von Liebe und Zärtlichkeit wollte er nie wieder etwas wissen. Das war die letzte Trennung, die er erduldete. Wütend über sein Leben, über sich selbst, über das was er war und was er nie sein konnte, verließ er den Raum. Dann sah noch einmal in die Knopfaugen seiner Tochter, die ihn vom Nebenraum aus ansahen. Unweigerlich trieb ihn dieser Anblick die Tränen in die Augen, während ihm bewusst wurde, dass es das letzte Mal war. Die blonden Locken, das rundliche, blasse Gesicht. Anette hatte recht, ihr fehlte die Sonne. Sie sah richtig krank aus und alles nur seinetwegen.
“Toni warte!”, halten ihm Anettes besorgte Rufe nach, aber noch bevor sie ihn erreichen konnte, war Toni schon über die Holztreppe verschwunden. Das zu krachen der Tür im untersten Stockwerk verriet, dass er wohl nie wieder zurück kommen würde.
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BeitragThema: Re: Das Leben danach   Das Leben danach EmptyMo Dez 22, 2008 8:22 pm

Also bis zum 2. Kapitel brauchte ich nicht wirklich Vorahnung über die Charaktere. Jetzt kenn ich mich allerdings nicht mehr so wirklich aus.

Toni lebt im Prolog und im ersten Kapitel...Enrico ist tot. Und im 2. Kapitel lebt plötzlich Enrico und Toni ist tot? Und im 3. Kapitel gehts wieder um Tonis Leben?
Irgendwie bisschen verwirrend für mich Sad Ich hoffe, das klärt sich bald auf.

Sonst gefällt mir die Geschichte sehr gut. Besonders das 3. Kapitel (also ein Teil davon)..Schön geschrieben, ich finds süß, dass Toni ein Vater mit Herz ist! Bin gespannt, wie's da weitergehen wird.

Bezüglich Doppelposts: Es ist nicht so, dass nur du sie nicht mehr machen darfst, es steht in den Forenregeln, dass Doppelposts generell verboten sind! Das gilt also für alle, nicht nur für dich Wink
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BeitragThema: Re: Das Leben danach   Das Leben danach EmptyMo Dez 22, 2008 8:59 pm

Es war auch nicht so gemeint das es nur für mich gilt^^.
Aber ich halt mich jetzt daran. Hab das auch nicht gewust.
Zu Toni und Enrico. Beide Leben! Es spielt alles zur selben Zeit.
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BeitragThema: Re: Das Leben danach   Das Leben danach EmptyMo Dez 22, 2008 11:55 pm

Zitat :
Bezüglich Doppelposts: Es ist nicht so, dass nur du sie nicht mehr machen darfst, es steht in den Forenregeln, dass Doppelposts generell verboten sind! Das gilt also für alle, nicht nur für dich
Mag sein, aber manche Texte sind zu lang für einen einzigen Beitrag. Ich habe deshalb auch schon Doppelpostings gemacht. Könnte man nicht in solchen Fällen eine Ausnahme machen?
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BeitragThema: Re: Das Leben danach   Das Leben danach EmptyDi Dez 23, 2008 11:11 am

Beide Leben? Wow, das hätte ich nicht gedacht. Bin zwar jetzt noch verwirrter, aber ich hoffe, dass eine Aufklärung bald kommt Wink

Bezüglich Doppelpostings siehe Thread "Regeln fürs Forum!"
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BeitragThema: Re: Das Leben danach   Das Leben danach EmptyDi Dez 23, 2008 2:36 pm

Es wird sich alles aufklären. Im vierten Kapitel^^.
Hier erst mal das Ende des dritten:

Kopflos lief Toni über die zu gewucherten Schienen zurück auf die Straßen Limbachs. Was sollte er jetzt noch hier? Der Sinn den er in Kiras leuchtenden Kinderaugen gefunden hatte, war verschwunden.
Die Autos die seinetwegen anhalten mussten, die ihm Hubkonzerte hinterher schickten, nahm Toni gar nicht wahr. Obwohl die Sonne schon zwischen den Häusern hindurch blitze, war für ihn noch tiefschwarze Nacht. Was sollte nun werden, ohne seine Tochter, seinen goldgelockten Engel? Schon der bloße Gedanke an sie schmerzte. Wieso hatte sie ihn auch bei seinen Rachefeldzug beobachten müssen? Warum war er überhaupt auf diesem Rachetrip?
Ohne das Toni wirklich Notiz davon nahm hatte ihn seine Füße zurück zum Friedhof getragen. Völlig außer Atem blieb er vor dem großen Eingangstor stehen.
Noch immer hallten in seinem Kopf Anettes Worte wieder, wie sie ihre gemeinsame Tochter ausgesprochen haben sollte: "Ist Papa böse und werde ich auch mal böse wenn ich groß bin?"
Hatte sie das wirklich so gesagt, ihn und seine Taten durchschaut? Warum hatte er sich nicht einfach ändern können? Der Kampf gegen die Drachen hatte schon lange keinen Sinn mehr. Es brachte Enrico nicht zurück und trotzdem war es besser gewesen als nichts gegen diese schwarzen Teufel zu unternehmen.
Mit langsamen Schritten trat Toni durch das Tor, folgte dem weißen Kieselsteinweg bis zum Grab seines Freundes. Während er sich seine schwarzen Handschuhe von den Fingern zog, begannen die ersten Vögel den jungen Morgen zu begrüßen, aber Toni hörte sie nicht. Nichts vermochte ihn zu erreichen.
Als er vor dem Obelisken stehen blieb warf Toni seine Handschuhe gegen den Grabstein. Das alles war nur seine Schuld. Wäre Enrico noch am Leben, müsste er seinen Kampf nicht allein führen. Aber er war es nicht. Hatte sich aus ihrem schweren Leben einfach in den Tod geflüchtet.
„Du elender Feigling!“, begann er die Grabinschrift anzuschreien, „Warum hast du im Krankenhaus aufgegeben? Warum hast du nicht gekämpft, so wie ich? Ich pack das nicht ohne dich!“ Dem Druck seines Lebens gaben seine Beine nach. Mit den Knien voran ließ sich Toni auf das Grab seines Freundes fallen und brach in Tränen aus. Es war nicht fair das Enrico hatte sterben dürfen und er nicht. Toni wollte auch Ruhe und Frieden für immer. Keine roten Drachen mehr, die ihm in dunklen Seitenstraßen auflauerten. Keine Schießereien und Auftragsmorde in der Dunkelheit. Keine Angst! Keine Sehnsucht!
Als seine Knie den weichen Boden des Grabes berührten, viel aus seinem Halfter eine der beiden Pistolen, die er immer bei sich trug. Durch den trüben Schleier seiner Tränen hindurch sah Toni sie an. Es waren Enricos Waffen, mit denen er seinen Rachefeldzug begonnen hatte. Unendlich viele Drachen waren ihnen schon zum Opfer gefallen.
Doch kein toter Drache hatte den Schmerz lindern können. Nicht einmal seine Wut auf diese Teufel, konnte das Blutvergießen dämpfen. Vielleicht war es ja jetzt an der Zeit, die Waffe ein mal gegen sich selbst zu richten, um alles zu beenden.
Mit diesem Gedanken, wischte sich Toni einmal mit dem Ärmel seiner Jacke über die Augen und hob die Waffe auf. Gemeinsam mit ihr, setzte er sich auf das Grab seines Freundes und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Obelisken.
"Ob du wohl sehr sauer wärest, wenn ich dir auf die Weise nach komme?", murmelte Toni leise vor sich hin und betrachtete die Waffe in seinen Händen. Seine Finger fuhren über die eingravierten Wölfe. Ein ganzes Rudel zog sich über den Lauf der Waffe und endete erst an dem elfenbeinweißen Griff. An ihm baumelte ein kleiner Wolfskopfanhänger an einer silbernen Gliederkette im Wind. Eine Spezialanfertigung, die Enrico für sich hatte herstellen lassen und eigentlich waren sie auch nur für seine Hände gebaut wurden. Toni hatte lange üben müssen, bis er trotzdem mit ihnen zielgenau schießen konnte. Was Enrico wohl dazu gesagt hätte, wenn er sie für diese letzte Tat benutzte? Noch einmal erschien in seinen Gedanken das Lächeln seines Freundes, der ihn über ein Jahrzehnt lang begleitet hatte. Es war der falsche Weg, das wusste er, aber der richtige war so schwer.
Seufzend ließ Toni die Hand mit der Pistole neben sich fallen und lehnte den Kopf gegen den Obelisken. Mit geschlossenen Augen versuchte er wieder einen klaren Gedanken zu fassen.
"Dacht ich mir doch das ich dich hier finde!" Eine Stimme? Hier auf dem Friedhof?
Erschrocken fuhr Toni zusammen und riss die Augen auf. Gerade noch spielte er in Gedanken mit dem Tod und nun wurde er auch noch dabei erwischt. Wer wagte es überhaupt, ihn hier zu stören?
Mit den Augen suchte Toni die Umgebung ab, bis sie an einen stattlichen Mann hängen blieben. Raphael war es gewesen, der ihn zu so früher Stunde hier suchen kam und trotz der Waffe in Tonis Hand, nicht zögerte ihn an zusprechen. Der gut einen Meter 90 große Schrank, war Enricos großer Bruder. Toni kannte ihn bald genau so lange wie seinen besten Freund. Zu dritt hatten sie die Wölfe gegründet. So viel hatte sich seit damals verändert und nichts davon war besser geworden.
"Was willst du?", versuchte Toni den alten Freund mit Unfreundlichkeit loszuwerden.

Aber Raphael ließ sich nicht abschrecken. Anstatt sich umzudrehen und wieder zu Gehen, wie Toni es am liebsten gehabt hätte, zog Raphael einen Brief aus seiner Jackentasche und ließ ihn auf Toni herab fallen.
"Der kam heute bei mir an!", fügte er hinzu.
Misstrauisch nahm Toni den Briefumschlag in die Hand und las erst die Anschrift und schließlich den Absender.
"Jan!", flüsterte er abfällig. Wann hatte der Kerl wohl das Ticket für den Flug in die USA abgeschickt, damit er genau jetzt ankam? Scheinbar hatte er das schon länger geplant und nicht einmal die Tatsache, dass Toni keine Anschrift besaß, hatte ihn davon abhalten können. Es gab ja noch immer Raphael, der mit seiner Frau in einer Villa am Meer wohnte.
Seufzend ließ Toni den Brief zurück auf seinen Bauch fallen und lehnte sich wieder gegen den Obelisken. Die Augen geschlossen, hoffte er noch immer, das Raphael ihn in Ruhe lassen würde.
"Willst du ihn nicht mal aufmachen?", wollte dieser wissen.
"Wozu? Ich weiß was drin ist!"
"Sag mal hast du vor die da zu benutzen?" Von Toni fiel Raphaels Blick auf die Waffe die dieser in der Hand hielt. Mit dem Fuß trat er gegen sie um zu verdeutlichen was er meinte.
"Höchst wahrscheinlich!", war Tonis ruhige Antwort, die er gefühlskalt zurück gab.
"Dann mach das irgendwo, wo du keine Flecken hinterlässt. Ich hab keine Lust deine Überreste vom Grab abzukratzen!"
"Rutsch mir doch den Buckel runter!" Was kümmerte Toni auch, was nach seinem Tod mit den Überresten seiner Leiche geschah.
"Du wirst dich nicht umbringen!", ließ Raphael ihn wissen und wand sich zum Gehen. Das war alles? Mehr Worte hatte er nicht für ihn übrig? Grimmig folgte Tonis Blick Raphael, als dieser über den weißen Kieselsteinweg verschwand.
Und ob er sich umbringen würde, ging ihm unaufhörlich durch den Kopf, bis seine Hand fast automatisch auf den Brief wanderte, der noch auf seinem Bauch ruhte. Nachdem er ihn mit nur einer Hand geöffnet und das Flugticket samt Reisepass heraus gezogen hatte, überdachte Toni sein Vorhaben noch einmal. Was würde wohl seine Tochter davon halten, wenn sie irgendwann erfuhr, dass er sich selbst den Kopf weg geschossen hatte. Seufzend lehnte er sich zurück an den Grabstein.
"Was meinst du? Auf ein paar Stunden bis wir uns wieder sehen, kommt’s doch jetzt auch nicht mehr an, oder?", hauchte er in die leichte Brise, die um das Grab seines Freundes wehte. Noch einmal schloss er die Augen, und lauschte dem Rauschen der Kiefern hinter dem Grab. Endlich war es wieder so still und friedlich wie zuvor. Keine Schreie, keine lauten Motorengeräusche, nur das Zwitschern der Vögel, die noch immer die Schönheit des Sonnenaufgangs besangen.
Schließlich legte sich Tonis Hand um den Griff der Waffe und um deren Abzug. Den Lauf legte er im Gras neben dem Grab ab und drückte ab. Bevor er noch einmal auf die Idee kam die Waffen gegen sich selbst zu richten, sollte das Magazin in ihr leer sein.
Erst als der letzte Schuss in den Baumwipfeln verhalte, sah Toni wieder auf.
"Und es gnade dir Gott Jan, wenn's nicht wichtig war!"
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BeitragThema: Re: Das Leben danach   Das Leben danach EmptyDi Dez 23, 2008 8:09 pm

Toll erzählt Smile Und es kommen immer mehr Personen hinzu. Sehr schön Smile Gefällt mir...Freu mich auf den nächsten Teil Smile
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BeitragThema: Re: Das Leben danach   Das Leben danach EmptyMi Dez 24, 2008 12:11 pm

4.Kapitel
~Bis in den Tod und wieder zurück~


Ganze acht Stunden saß er nun schon in diesem verdammten Flieger. Kamen sie denn nie an? Die ganze Zeit schon sah Toni aus dem Fenster, betrachte die vorbeiziehenden Wolken. Hieß es nicht, dass über den Wolken alle Sorgen verschwanden? Warum fühlte er sich dann nicht frei?
Was ihn wohl in New York erwartete? Ein Seufzer kam über seine Lippen, als Toni durch die Wolken hindurch das Festland erkennen konnte. So viele Hochhäuser. So viele Lichter. Toni wollte sich gar nicht ausmalen, welche Menschenmassen ihn am Flughafen erwarteten. Ob er Jan dort überhaupt finden würde?
Das Kinn in seine Hand gestützt, wanderte Tonis Blick auf eine Karte, die er durch seine linke Hand drehte. Das Ticket für den Rückflug. Er hatte es sich am Schalter gleich bei seinem Abflug besorgt. Länger als nötig wollte er in der fremden Stadt nicht bleiben. Insgeheim bereute er schon jetzt in den Flieger eingestiegen zu sein. Was immer Jan von ihm wollte, es würde seine Probleme zu Hause nicht lösen. Ob Kira jetzt wohl schon im Heim war?
Wieder wanderte Tonis Blick aus dem Fenster. Der Flieger hatte zur Landung angesetzte, die Häuser und Lichter kamen immer näher. Tonis Gedanken aber waren weit weg. Irgendwo zu Hause bei seiner Tochter. Er wusste noch nicht einmal in welches Heim sie die beiden Frauen gebracht hatten. Ob es Kira dort gefiel, ob sie sich wohl fürchtete, oder suchte sie nach ihren Eltern? Und er, er saß hier im Flugzeug, zu weit weg, um sie zu trösten, um sie wieder zu sich zu holen.

Ohne das Toni es bewusst wurde, waren ihm die Augen zu gefallen. Viel zu lange schon war er wach gewesen. Während der Flieger auf dem Boden aufsetzte, begann er zu träumen. Zu erst von seiner kleinen Tochter, die durch ihr dunkles Zimmer sprang und sich über ein neues Spielzeug freut, das er ihr mitgebrachte hatte. Doch nur all zu schnell mischte sich der übliche Schrecken in seine Träume. Ein dunkles Zimmer. Ein Schein von Kerzen am Boden. In ihrem flackernden Licht färbten sich die Wände rot, blut rot. An manchen Stellen lief es wie dicke Plakatfarbe von den Wänden. Ein markerschütternder Schrei brach sich an den Zimmerwänden.
“Sir, sie müssen hier aussteigen!”, mischte sich auf einmal eine fremde Frauenstimme ein. Das war mal was anderes. Nur blinzelnd sah Toni wieder auf. Verschwommen nahm er die Stewardess wahr, die ihn zu wecken versuchte. Sie waren also gelandet? Aber noch brauchte Toni einen Moment um wieder klare Gedanken fassen zu können. Er musste wach werden, aussteigen.
“Ja… ja sofort!”, zwang er sich zu einer Antwort. Einmal fuhr er sich durch die müden Augen, dann stand Toni auf. Alle anderen Passagiere hatten ihre Sitze schon verlassen. Großartig, er war der Letzte. Zügig zwängte er sich durch die Sitzreihen. Wenn er diese verdammte Reise nur endlich schon hinter sich hätte. Vielleicht sollte er erst gar nicht nach Jan suchen, sondern sich gleich nach dem nächsten Flug zurück informieren.
Durch das Gate gelangte Toni zum Kontrollpunkt. Na wenn er hier mal nicht unangenehm auffiel. Die Waffen, mit denen er an Enricos Grab gesessen hatte, trug er noch immer bei sich, auch geladen hatte er sie längst wieder. Ohne sie fühlte er sich einfach nicht sicher, oder hatte er es vielleicht sogar darauf angelegt erwischt zu werden. Dann hätte er sich mit der Flughafenpolizei eine Schießerei liefern können. Sicher hätten sie ihm dann die Entscheidung über Leben und Tot abgenommen. In Deutschland hatte man ihn nur durch die Kontrolle gewunken, aber hier, die Amerikaner waren für ihre strengen Kontrollen bekannt. Irgendwie freute sich Toni schon auf das piepende Geräusch, wenn er durch die Lichtschranke ging. Wie die Beamten wohl schauen würden, wenn es kein Gürtel oder Kleingeld war, was er ablegen müsste? Ein gefährliches Schmunzeln legte sich auf seine Lippen, als er der Schranke näher kam. Nur noch ein Passagier, dann war er dran. Doch noch bevor Toni die Schranke passieren konnte, legte sich eine fremde Männerhand auf seine Schulter. Einer der Polizisten nahm ihn bei Seite. Was sollte das jetzt auf einmal. Hatten sie ihn etwas schon vor der Schranke durchschaut? Während ihn der fremde Mann von der Kontrolle weg führt, legte sich Tonis rechte Hand ganz automatisch um den Griff seiner Waffe. Nur eine falsche Bewegung und er würde sich zu wehren wissen. Aber nichts geschah. Der Beamte brachte ihn nur in die Empfangshalle. Ein leichter schwenk mit dem Kopf, der ihm wohl andeuten sollte, dass er verschwinden konnte, dann kehrte der Polizist um. Ging den Weg zurück, den sie gekommen waren. Was war das denn gewesen? Während sich Tonis Gemüt wieder entspannte, sah er dem Mann noch lange nach, bis ihm wieder Jans Worte in den Sinn kamen. Hatte er nicht etwas von Bestechung gesagt? Erschreckend wie viel Einfluss Jan bei der hiesigen Polizei hatte und irgendwie auch Langweilig. Jetzt hatte sich Toni schon auf eine Auseinandersetzung gefreut. Stattdessen blieb er unversehrt vor dem Fliesband stehen, auf denen die Koffer der Passagier im Kreis fuhren. Unter anderen drehte sich dort auch sein Gitarrenkoffer mit. Um sich die Zeit bis zum Abflug zu vertreiben, hatte er ihn mitgenommen. Aber erst nach der dritten Runde nahm Toni ihn an sich, schnallte ihn sich über die Schulter. Sein Blick ging dabei über den viel zu großen Flughafen. Dutzende von Menschen. Wie er solche Ansammlungen hasste. Der Gedanke, dass sich unter ihnen feindliche Gesichter befinden könnten, konnte er noch nicht einmal hier abschütteln. Fest eingebrannt war die allgegenwärtige Gefahr seines Lebens in Deutschland und dann fand er tatsächlich ein feindliches Gesicht zwischen all den Menschen. Jan, dieser elende Feigling. Ohne das es Toni wirklich bewusst wurde, legte sich seine Stirn in Falten, während sich sein Blick verdunkelte. Den Mistkerl würde er sich vorknöpfen, und wenn er nur dafür hier war. Ganz automatisch setzte sich Toni in Bewegung. Steuerte den Kiosk an, an dem er Jan ausgemacht hatte.
“Tonnniii, du bist doch gekommen! Ich freu mich ja so!” Was war das? Wo kam das her? Gab es hier etwa noch mehr alte Bekannte. Die Stimme zumindest kam ihm sehr vertraut vor. Robin? Eine der ältesten Verbündete der Wölfe. Aber was tat sie hier? Noch während Toni versuchte der Stimme eine Richtung zuzuordnen, wurde er von der jungen Frau überfallen. Mit offnen Armen warf sie sich ihm um den Hals, brachte seinen festen Stand zum Wanken. Wo war sie nur auf einmal her gekommen und womit hatte er eine so freudige Begrüßung verdient? Ungläubig sah Toni auf die junge Frau herab, die ihn noch immer umarmte. Sie hatte sich kaum verändert. Ihre Figur war noch immer makellos. Auch die Auswahl ihrer Garderobe war die gleiche geblieben. Ein viel zu knappes, enges Kleid mit einem tiefen Ausschnitt. Wie seltsam, dass sie sich gerade für ihn so herausgeputzt hatte. Sonst hatte sie das nur für Enrico getan. Verdammt, warum musste er schon wieder an ihn denken? Warum konnte er sich nicht einfach über das Wiedersehen freuen?
“Du sagst ja gar nichts!”, beschwerte sich Robin. Enttäuscht sah sie zu ihm auf, entließ ihn aus ihrer Umarmung. Anstatt ihr zu antworten wanderte Tonis Blick zurück auf Jan. Mit langsamen Schritten kam dieser näher, beinah so, als fürchtete er Tonis Wut.
“Ist das alles, was du mitgebracht hast?”, wollte Robin wissen. Ihr Blick haftete an seinem Gitarrenkoffer. Von ihr wanderte Tonis Blick zurück auf Jan. Die beiden glaubten doch nicht etwa, dass er für länger blieb?
“Ja und mehr werde ich auch nicht brauchen. Morgen Früh flieg ich wieder zurück!”, demonstrativ
richtete Toni seine Worte an Jan und zog das Ticket für den Rückflug hervor.
“Also, was wollt ihr von mir?” Ungewollt schroff klang Tonis Stimme bei jedem Wort. Den ganzen Flug über hatte er darüber nachgedacht, wozu er den acht Stundenflug überhaupt auf sich nahm und jetzt wollte er es endlich wissen. Wozu hatten sie ihn her gerufen? Robin und Jan aber schwiegen. Beinah so als wagten sie nicht den Grund seiner Reise auszusprechen. Was wurde hier nur gespielt? War das wieder mal ein grober Scherz auf seine Kosten.
“Das würdest du uns sowieso nicht glauben. Also komm lieber mit und sie es dir mit eigenen Augen an!”, brach Jan das Schweigen. Ohne viele Worte zu verschwenden, drehte er sich um, ging voraus. Nur Robin blieb, schlich um ihn herum und nahm ihm den Gitarrenkoffer ab. Als wenn er den nicht selbst tragen könnte. Während Robin ihre Runde um ihn herum zu Ende brachte, stahl sie ihm auch noch das Ticket für den Heimflug. Dieses Weib brachte ihn sicher noch einmal um den Verstand.
“Du wirst schön hier bleiben. Wäre ja noch schöner wenn du jetzt wieder abhaust. Was soll dann aus ihm werden?” Ihm? Seufzend sah Toni Robin nach, während sie Jan folgte und voraus ging. Im Grunde wollte Toni schon gar nicht mehr wissen was ihn hier erwartete. Mit einem zweiten Seufzer sah er noch einmal zurück auf den Flieger, mit dem er angekommen war. Wie gern wäre er wieder zu Hause, anstatt sich hier mit Robin und Jan rumzuärgern. Ein weiterer Seufzer verließ seine Lippen, dann setzte er sich in Bewegung. Folgt Jan und Robin über den unübersichtlichen Flughafen. Wohin sie jetzt wohl gingen? Für einen langen Weg zu Fuß war er viel zu müde. Nur mit großer Mühe konnte er überhaupt mit den beiden mithalten. Immer wieder rieb er sich durch die schmerzenden Augen. Seit zwei Tagen war er schon wach, konnte nicht schlafen und nun kam er vor Müdigkeit fast um. Hoffentlich hatten sie ihr Ziel bald erreicht.

Auf einen nahen Parkplatz führten Jan und Robin ihn. Ein rotes Cabrio war ihr Ziel. Ein Glück, den restlichen Weg mussten sie schon mal nicht laufen. Sicher würde er sofort einschlafen sobald er sich hin setzte. Am besten er reservierte sich die Rückbank für sich. Dann waren die Stimmen der beiden nicht so nah. Den Gitarrenkoffer, den Robin ihm entführt hatte, nahm er ihr wieder ab und platzierte ihn auf dem Rücksitz. Dann erst stieg er selbst ein. Gut so, jetzt war kein Platz mehr für eine zweite Person. Dachte er. Während Jan hinter dem Lenkrad platz nahm, hob Robin den Koffer einfach auf den Beifahrersitz und setzte sich zu ihm. Nicht mal sein grimmiger Blick hielt sie davon ab. Noch lange musterte er ihr schelmisches Grinsen, selbst als sie den Parkplatz schon längst hinter sich gelassen hatten. Was stimmte sie nur so fröhlich? Nein, nein er wollte es gar nicht wissen. Bevor sie auf die Ideen kam sich mit ihm zu unterhalten, sah Toni aus dem Auto auf die Straße. Was für eine scheußliche Stadt. Die Wolkenkratzer waren so hoch, das man noch nicht einmal den nahen Morgen bemerkte. Sicher war es hier selbst zur Mittagszeit noch dunkel. Fast wie in dem Stadtteil, in dem er aufgewachsen war. Hier könnte er sich nie wohl fühlen.
Vor all dem schloss Toni die Augen. Sie waren ihm einfach zugefallen, als er sich im Sitz zurücklehnte. Schlafen, wie schön wäre das jetzt gewesen?
“Nun erzähl schon!”, hörte er stattdessen neben sich Robins aufgeregte Stimme. Immer wieder stupste sie ihn in die Seite, suchte seine Aufmerksamkeit, während sich ihre Worte überschlugen.
“Wie geht’s dir und dem Rest der Bande? Sind alle wohl auf? Was macht Anette und wie läuft’s mit den Red Dragons?"
“Niemand ist wohl auf und am wenigsten bin ich es!”, zwang sich Toni zu einer Antwort. Merkte sie denn nicht das er zum Reden zu müde war, dass nichts in Ordnung sein konnte?
„So schlimm?“, mischte sich Jan in ihr Gespräch ein.
Unendlich schwer fiel es Toni die Augen nach dieser Frage wieder zu öffnen und nach vorn zu sehen. Was glaubte dieser Kerl wohl, wie es nach dem Tot Enricos in Limbach zu ging?
“Was glaubst du wohl? Die Red Dragons herrschen. Keiner der mal ein Wolf wahr, ist mehr sicher. Wer einen von uns tötet wird automatisch Mitglied bei den Schweinen.“ Jetzt fing er ja doch an zu erzählen. Aber vielleicht tat es mal ganz gut darüber zu sprechen, all den Ärger los zu werden, der sich seit Jahren in ihm angestaut hatte.
“Die Roh Street hat sich aufgelöst!”, mit diesen Worten wand er sich an Robin. Es war ihre Gang, von der er berichten wollte und ihrem gesenkten Blick nach zu urteilen, war sich Robin ihrer Schuld bewusst.
“Nach dem sich ihre Anführerin aus dem Staub gemacht hat, hat der Rest auch das Weite gesucht. Ich hab schon ewig keinen mehr von deinen Leuten gesehen. Damit standen dann die wenigen von uns, die das Massaker überlebt hatten, alleine da!" Das hatte gesessen. Robin war still. Keine nervenden Fragen mehr, kein bohrender Blick. Gut so. Da blieb Zeit auch noch von anderen Dingen zu berichten.
"Judy hat ihre Kinder ins Heim abgeschoben und wird sich sicher mit Sam auch bald aus dem Staub machen. Dann bleiben nur noch Raphael Susen und ich. Wobei ich mir nicht vorstellen kann das es Raphael noch lange in diesem Drecknest hält. Susen hat schließlich mit ihrem Vater genügen Beziehungen, um sich wo anders ne schöne kleine Villa zu bauen" Immer abfälliger wurde Tonis Tonfall. Das sich alle einfach davon stahlen gefiel ihm nicht. Die Flucht zu ergreifen war auch keine Lösung. Selbst Raphael und seine Frau Susen waren schon so weit das Weite zu suchen. Kein Verbündeter im Kampf gegen die roten Drachen war ihm mehr geblieben.
„Und du und Anette!“, kam von Jan die nächste Frage. Nun er war wohl auch nicht viel besser.
"Mit Anette hab ich Schluss gemacht. Sie hält in Limbach also auch nichts mehr und ich bin ja wohl hier." Jetzt war er also auch einer von denen, die wegliefen?
Vom Rückspiegel, in dem Toni Jans Reaktion beobachtet hatte, wanderte seine Aufmerksamkeit zurück auf die Hochhäuser, die an ihnen vorbei zogen. Sie verdeckten noch immer die aufgehende Sonne. Die Straßen und Gehwege waren übervoll von Autos und Menschen und überall blinkten Reklametafeln. In den immer wieder gleich aussehenden Straßenzügen waren sie die einzige Abwechslung. Was konnte Menschen nur dazu veranlassen hier zu leben? Wie in einem Armeisenhaufen wuselten sie hektisch durch die Straßen und versperrten die Sicht, egal wohin Toni sah.
Auch die Sprache der Plakate und Geschäfte war ihm fremd. Zur Schule war er nur kurz gegangen und kannte damit auch nur Bruchstück der englischen Sprache. Nein, hier würde er sich unmöglich wohl fühlen können.
"Ich dachte du wolltest heute Abend wieder abreisen?", sprach Jan aus, was Toni schon die ganze Zeit über dachte. Zurück nach Hause, in ein Land, in dem er zumindest die Sprache der Einheimischen verstand und die Wege kannte. Aber hier:
"Wenn ich den Flughafen wieder finde, sicher!" Den Weg den sie gefahren waren, hatte er schon längst wieder vergessen. Selbst die Straßennamen ähnelten sich hier so stark, dass oft nur eine Zahl darin veränderte.
"Ich fahr dich persönlich zurück, wenn du heute Abend wirklich noch zurück willst!", versicherte Jan ihm. Was machte den Kerl nur so sicher? Von Jan wechselte Tonis Blick für einen Moment misstrauisch auf Robin. Was hatten die beiden nur ausgeheckt? Irgendetwas verschwiegen sie ihm doch.
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BeitragThema: Re: Das Leben danach   Das Leben danach EmptyFr Dez 26, 2008 12:18 am

Wirklich tolle Fortsetzung Smile Ich bin gespannt, wie Toni auf Enrico reagieren wird und umgekehrt, also Enrico auf Toni Smile

Bitte weiter Very Happy
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BeitragThema: Re: Das Leben danach   Das Leben danach EmptyFr Dez 26, 2008 11:00 am

"Ihr seid euch euer Sache wohl sehr sicher? Nur eine Frage, muss ich dich für das was du vor hast erwürgen?", wand Toni seine letzten Worte wieder an Jan. Sicher war der für alles verantwortlich. Das war er schon immer gewesen. Ständig hatte er sich neue Dummheiten ausgedacht und ihn und Enrico oft genug in Schwierigkeiten gebracht. Sicher war das jetzt genau so. Jans kleinlaute Antwort war Beweis genug:
„Höchstwahrscheinlich!“ Prima, er hatte es geahnt, es war ein Fehler her zu kommen. Wäre er doch nur zu Hause geblieben.
"Prickelnd...! Wohin fahren wir überhaupt?" Ganz allmählich ließen sie die Wolkenkratzer hinter sich. Die Straßen wurden leerer und hier und da drangen Sonnenstrahlen an den Häusern vorbei und auf die Straße auf der sie fuhren. In der Ferne glitzerte das offene Meer, über das er erst vor kurzen geflogen war. Was sie wohl in dieser Gegend wollten? Die ganze Zeit über hatte er sich ausgemalt wie sie im Stadtzentrum in irgend einer Absteige verschwinden würden.
Dieser Teil der Stadt aber wurde immer freundlicher. Schließlich verloren sich auch die letzten Bürokomplexe und wurden von kleinen Einfamilienhäusern abgelöst.
"Zur Black Pearl!", beendete Robin auf einmal ihr Schweigen. Stolz schwang in ihrer Stimme mit, während sie erwartungsvoll auf das offene Meer sah. Sicher lag irgendwo dort das neue zu Hause, das sie sich aufgebaut hatten.
„Zur schwarzen was?“, verlangte Toni nur zu wissen.
"Zur Black Pearl!", wieder holte Jan und versuchte sich dann in einer Erklärung,
"Das ist ein Schiff, wir wohnen dort!" Verwirrung machte sich in Toni breit. Ein Schiff? Was sollte er dort?
„Also noch mal für ganz Dumme. Ihr schleift mich jetzt in ein altes, verrostetes Wrack um jemanden zu treffen der meine Hilfe braucht und nur ich kann helfen. Kommt das so weit hin?“, versicherte er sich die wenigen Informationen, die er bekommen hatte, richtig verstanden zu haben.
"Naja fast, wobei ich glaube, das euch das Wiedersehen beiden gut tun wird!", kam einmal mehr eine rätselhafte Antwort von Jan zurück. Warum sollte ihm ein Wiedersehen, mit einem fremden Menschen gut tun? Oder gab es hier noch ein bekanntes Gesicht? Unter all denen die aus Limbach verschwunden waren, wollte ihm allerdings keines einfallen, das er unbedingt wieder sehen musste.
„Wie wär‘s denn mit einem Namen, dann wär‘s doch gleich viel einfacher!“, schlug Toni vor. Auf Rätselraten hatte er keine Lust mehr. Klare Fakten, wenn er schon helfen sollte, mehr wollte er doch gar nicht. Aber einmal mehr verfiel Jan in simples Schweigen. Dafür ließ Robin einen Namen fallen, der so unglaublich für Tonis Ohren war, dass er meinte sich verhört zu haben. Mit abgewanden Blick, den Kopf in die offene Handfläche gelegt, hauchte sie in den Fahrtwind:
„Enrico!“
Verstört richtete sich Tonis Blick wieder auf Robin. Hatte sie wirklich, oder war es nur Einbildung gewesen? Er hatte sich verhört, oder? Am Kinn drehte er das Gesicht der jungen Frau zu sich.
“Sag das noch mal!”, verlangte er todernst. Aber Robin schmunzelte nur. Ihr Blick konnte seinem nicht standhalten. Was für ein grober Scherz auf seine Kosten.
“Halt sofort an!” Das würde er sicher nicht auf sich sitzen lassen. War er denn nur her gekommen, damit sie sich über seine Trauer lustig machen konnten?
“Ich lass mich doch von euch beiden nicht verscheißern!”, schrie Toni beide an. Für derartigen Spaß hatte er längst den Sinn verloren.
„Wie du willst!“ An einem weißen Sandstrand parkte Jan das Cabrio und schenkte dem aggressiven Ton in Tonis Stimme keinerlei Beachtung. Nahm er ihn denn überhaupt nicht ernst? Musste Toni erst seine Waffe ziehen, um den nötigen Respekt einzufordern?
Als sich Jan zu ihm und Robin umdrehte packt Toni ihn sich am Kragen und ließ ihn ernst wissen:
„Ich verstehe darin keinen Spaß!“
"Es ist auch kein Spaß, es ist bitterer ernst! Er ist da drin und wenn er im Moment jemanden nötig hat, dann dich!"
Wild musterten Tonis Augen die von Jan. Das konnte der Kerl einfach nicht ernst meinen, oder? Es war nicht möglich, es musste ein Scherz sein! Aber warum veränderte sich dann Jans Blick nicht. Ganz gleich wie hart Tonis Griff war, wie finster seine Gesichtszüge, Jan hielt ihm stand. Nichts in seinen Augen deutete auf einen Spaß hin. Aber was war es dann, wenn es kein Scherz war?
"Du weist schon das ich dich dafür umnieten würde oder?" Mordlust machte sich in Toni breit. Ganz automatisch legte sich seine freie Hand um den Griff seiner Waffe. Trotzdem, Jans Blick blieb standhaft und auch seine Worte verrieten keinen Zweifel, keinen Scherz auf seine Kosten:
"Das Risiko hab ich in kauf genommen, ja! Aber hast du im Moment nichts besseres zu tun?“
Ein letztes Mal sah Toni in die blauen Augen Jans, versuchte sich Klarheit über seine Worte zu verschaffen. Er musste das ernst meinen, sonst hätte ihn seine Stimme längst verraten. Aber trotzdem, das konnte nicht sein, es war nicht möglich. Und wenn doch? Als Jans Blick ihm nicht nachgab, stieß Toni ihn von sich. Die beiden hatten am Flughafen wohl recht gehabt, das musste er mit eigenen Augen sehen, um es glauben zu können.
Ohne die Tür des Wagens zu vor zuöffnen, sprang Toni aus dem Cabrio. Wenn es doch nur wahr wäre. Wie viel würde es ändern?
“Toni warte, du weißt doch gar nicht wo hin!”, verlor sich Robins Stimme hinter ihm. Auf sie folgte das Zuschlagen der Cabriotüren und die Schritte seiner Freunde, die ihm nacheilten. Sicher, er wusste gar nicht wo er mit der Suche anfangen sollte, aber wie konnte er jetzt noch still sitzen? So groß würde der Kutter schon nicht sein, der vor ihnen vor Anker lag.
Über eine Rampe, gebaut aus Brettern, gelangte Toni auf Deck des Schiffes. Nur eine Tür führte von hier aus ins Innere. Ohne in seinen Schritten langsamer zu werden steuerte Toni auf sie zu. Das musste ein Traum sein, ganz bestimmt sogar. Hoffentlich fand er seinen alten Freund, bevor er wieder wach wurde.
Als Toni die Tür erreicht hatte, hielt er inne. Sollte er wirklich. Was wenn sich dann herausstellte, dass es nur ein Spaß war? Die Hoffnung die jetzt in ihm brannte war sicher besser als die Enttäuschung nach dem öffnen der Tür und dem betreten der leeren Räumlichkeiten dahinter.
Noch während Toni zögerte, bewegte sich auf einmal die Klinke. Ganz langsam wurde sie nach unten gedrückt. Erschrocken und angespannt wisch Toni einige Schritte zurück. Konnte es sein? War es Enrico, der die Tür öffnete, ihm entgegen kam?
Einen weiteren Schritt wisch Toni zurück, wagte der Tür nicht näher zu sein. Was wenn…? Immer wieder der selbe Gedanke, dann tat sie sich auf, gab den Blick frei auf ein bekanntes Gesicht.

„Lui?“ Der schlanke Mann mit den kurzen schwarzen Haaren und den asiatischen Augen, war es nicht, den Toni erwartet hatte. Von einem Moment auf den anderen, war alle Hoffnung wieder verschwunden. Es war nur Jans bester Freund, nicht seiner. Enttäuschung breitete sich in ihm aus. Die Müdigkeit der schlaflosen Nächte kehrte zurück. Wie gern hätte Tonis sich jetzt einfach fallen gelassen und darauf gehofft nie wieder aufzuwachen. Leer sah er durch Lui hindurch, hörte noch nicht einmal seine Begrüßung, sah nicht die gereichte Hand, die dieser ihm entgegen streckte. Es wäre ja auch zu schön gewesen. Sicher folgte gleich das spöttische Gelächter seiner Freunde darüber, dass er so freudig losgelaufen war.
„Komm mit, ich bring dich zu ihm!“ Robins Stimme war auf einmal so nah. Ihre Hand legte sich auf seine Schulter. Als er zur Seite sah stand sie neben ihm. Das Grinsen war aus ihrem Gesicht gewichen, hatte einem sanften Lächeln platz gemacht. Sie meinte das ernst, das konnte er spüren, als sie seine Hand nahm, ihn mit sich zog. An Lui vorbei betraten sie das Innere des Schiffs. Stockfinster war der lange Flur den sie beschritten. Und hier sollte alles anders werden? Noch immer konnte Toni keinen klaren Gedanken fassen. Jeder Schritt fiel ihm schwer, selbst jeder Atemzug, mit dem er um Fassung kämpfte. Sie durften sich einfach nicht auf diese Art und Weiße über ihn lustig machen, dass konnte er nicht ertragen. Wenn alles eine Lüge oder ein Traum war, sich würde er daran zusammen brechen.
Ein mal noch versuchte Toni tief durchzuatmen, dann hielt Robin vor einer Tür an. 113 stand auf einem Schild mit schwarzen Zahlen geschrieben. Als Robin die Klinke nach unten drückte, ihnen die Tür öffnete, schnürte sich seine Kehle zu. Ohne das er es wollte stieg in ihm die Traurigkeit von fünf Jahren wieder hoch. Immer wieder musste er schlucken, um nicht in Tränen auszubrechen. Ein Glück nur, dass es auch in dem Zimmer hinter der Tür dunkel war und niemand sein Gesicht sehen konnte. Sicher war das Bett in der Mitte des Zimmers leer, das er nur als Umriss erkennen konnte, ganz bestimmt sogar. Während Toni nicht wagte das Zimmer zu betreten, ließ Robin seine Hand los, ging die letzten Schritte ohne hin und bahnte sich einen Weg durch die Dunkelheit bis zu einem Stofffetzen, der vor einem Bullauge hing. Mit einem kräftigen Ruck, zog sie ihn weg, ließ die ersten Sonnenstrahlen des Tages ins Zimmer.
„Komm rein, aber pass auf das du nicht irgendwo drüber fällst. Von Ordnung hält er nämlich immer noch nicht viel!“, schmunzelte sie, sah mit einem freundlichen Lächeln auf ihn zurück. Er aber brachte keinen weiteren Schritt fertig. Wie Blei so schwer waren seine Beine, wollten sich einfach nicht bewegen lassen.
„Ic… h kan.. n nicht…!“, kam nur gebrochen über seine zitternden Lippen.
„Keine Sorge, er kann im Moment nicht beißen!“ Was für ein dummer Witz. Als wenn es das wäre, was ihn am Eintreten hinderte. Selbst den Blick auf das nahe Bett vermied Toni, sah stattdessen fragen auf Robin. War es nun wahr? Ihr Blick war noch immer freundlich, wirkte fast schon sanft. Kein Spott kein breites Grinsen. Nur ein freundschaftliches Nicken. Ganz langsam wagte Toni seinen Blick von ihr zu lösen. Im wenigen Tageslicht, das durch das Bullauge viel, war das Bett nun deutlich zu erkennen. Eine schneeweiße Bettdecke, weiter wagte sein Blick noch nicht zu wandern, dafür automatisierten sich seine Schritte. Ohne das es ihm wirklich bewusst wurde, hatte Toni den ersten, den zweiten und dritten Schritt ins Zimmer getan. Ein weiterer und er hatte das Bett erreicht. Ein letztes Mal erhob Toni seinen Blick, sah fragend in Robins Richtung, in ihre erwartungsvollen Augen.
Dann erst wagte er über die Decke hinaus zu sehen.

Ein dünner Arm eingewickelt in einem weißen Verband, der sich an einigen Stellen rot gefärbt hatte. Einen schweren Atemzug später konnte Toni verstrubbelte blonde Haare erkennen. Eingebettet in einem weichen Kissen erkannte er ein Gesicht, dass er nur noch in seinen Träumen sah. Narben zogen sich durch Augenbraue und über die linke Wange. Die schweren Verletzungen, die ihre Feinde ihm zugefügt hatten, waren verheilt. Er war es. Er musste es einfach sein. Kein Gesicht war ihm je so bekannt vorgekommen.
„Enzoo?“, kam der Spitzname seines Freundes ganz automatisch über seine Lippen und verlor sich irgendwo im Raum. Das alles konnte er nicht fassen, wollte es nicht begreifen. Es machte keinen Sinn. Immer schwerer wurde es für Toni sich auf beiden Beinen zu halten. Wieso hier? Wieso jetzt? Was war das nur für ein grausames Spiel?
Neben dem Bett ließ Toni sich auf die Knie fallen, faltete beide Hände auf der Bettdecke zusammen. Das musste er erst einmal begreifen. Warum hatte ihm das keiner gesagt? Warum hatten sie es ihm verschwiegen?
Von der Bettdecke, vom Anblick seines Freundes, wanderte Tonis Blick auf die Tür. Schritte hatten sich ihr genähert. Jan und Lui waren vor ihr stehen geblieben, sahen ihn fragend an. Diese elenden Mistkerle. Wut und Hass löschten seine Verwirrung aus, als seine Hand an den Griff seiner Waffe wanderte. In die Hölle würde er sich schicken, alle drei. In die selber, in der er seit fünf Jahren ihretwegen leben musste. Die Kraft die ihn verlassen hatte kehrte mit einem Schlag zurück, half ihm dabei wieder auf die Beine zu kommen. Die Pistole in seinem Gürtel war schnell gezogen und auf Jan ausgerichtet. Ganz besonders ihm wollte er den Kopf wegballern, ihm sein dummes Grinsen aus dem Gesicht schießen.
“Wieso?”, begann er erst leise und unverständlich, als wenn er neben seiner Kraft auch noch seine Stimme wieder finden müsste. Aber mit jedem Schritt, den er der Tür näher kam, wurde auch seine Tonfall kräftiger.
“Wieso?… Wieso?! Wieso weiß ich nichts davon!” Seine freie Hand richte sich zurück auf das Bett, deutete an was er meinte. “Hast du überhaupt eine Ahnung, was ich durchgemacht habe?”
“Sicher, aber es war mir ganz egal! Wir hatten andere Sorgen!”, kam herausfordernd von Jan zurück. Nicht einen Moment lang konnte Toni Furcht in seinen Augen lesen. Wie er diesen Idioten schon allein deswegen haste. Nicht einmal jetzt schien Jan ihn ernst zu nehmen. Stattdessen drehte er ihm einfach den Rücken zu.
“Wenn du dich wieder eingekriegt hast, haben wir wichtigeres zu bereden!” Das war eindeutig zu viel. Als sich Jan in Bewegung setzte und dem langen Gang in ein anderes Zimmer folgte, legte sich Tonis Zeigefinger um den Abzug. Dieses mal würde er nicht zögern. Geradewegs richtete er den Lauf der Waffe auf Jans Herz aus. Das würde sein letzter Spruch gewesen sein.
“Toni nicht!”, ahnte nur Robin was in ihm vor sich ging. Als Toni abdrückte, warf sie sich gegen seinen Arm, lenkte den gezielten Schuss ab. Gleich darauf halte Jans Spott durch den dunklen Flur:
“Daneben!”
“Robin! Man! Misch dich nie wieder in meine Angelegenheiten ein!”, richtete sich nun seine ungezügelte Wut gegen sie. Was musste sich Robin auch einmischen. Das war seine Sache. Noch einmal hob Toni die Waffe an, vielleicht würde er den Dreckskerl ja noch erwischen. Aber wieder drückte Robin ihm den Lauf der Waffe nach unten.
“Toni bitte! Du kannst ihn auch später noch über den Haufen schießen. Es gibt wirklich wichtigeres!”, Durchdringend lagen ihre Augen auf seinen. Anflehend war ihre Stimme, bis ihr Blick von ihm abfiel und zurück aufs Bett wanderte. Etwas war seltsam, etwas dass er noch nicht in Worte fassen konnte. Als Tonis Blick ihr folgte, er zurück aufs Bett sah, hatte sich dort nichts verändert. Er hatte so laut geschrieen, hatte sogar die Waffe abgefeuert. Enrico hätte davon aufwachen müssen, aber er lag noch immer da, wie in der Tiefe eines Grabes. Furcht erfüllte Toni, ließ ihn die Waffe endgültig runter nehmen. Da war doch irgend etwas faul.
“Was, was ist mit ihm!”, wagte er kaum zu fragen. Warum war er nicht aufgewacht? Warum musste er überhaupt im Bett liegen? Warum war er nicht mit zum Flughafen gekommen? Es durfte ihm einfach nicht schlecht gehen. Toni hatte ihn doch gerade erst wieder gefunden.
Mit langsamen Schritten ging Robin zum Bett zurück, kniete sich dort auf die Bettdecke. Ihr Blick war sanft, als sie mit ihrer rechten Hand durch die blonden Haare Enricos fuhr. Unendlich viel Zeit ließ sie sich mit ihrer Antwort:
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